Wie auf Portugiesisch eine Kleinigkeit bestellt wird – oder auf Denglisch geteilt wird

Die Weihnachtszeit ist wieder vorbei. Wie haben Sie auf Geschenke reagiert? Haben Sie das Kochbuch (nach dem Motto „Du kannst das besser“) oder das bereits verpackte Drogerie-Geschenkset mit 384 Duftstoffen, auf die Sie fast alle allergisch reagieren, schon erwartet? Hier ein Tipp: Wenn Sie die Enttäuschung überspielen wollen, rufen Sie ganz einfach „Das hätte ich jetzt nicht expected (erwartet)!“ – kürzlich von einer Anfang-20-Jährigen in der Straßenbahn vernommen. Es passt perfekt zu „Da muass i imma no resist’n“ (widerstehen). Im Dialekt wird die Sache leider auch nicht besser, es geht uns aber bei den Keksen fast allen so.

Weitere sehr beliebte Anglizismen, die ­­– schreiend – ohne Vorwarnung in deutsche Sätze geworfen werden, sind momentan struggles und daraus gebildet struggeln/strugglen (etwa im Sinne von kämpfen) sowie „Was war dein Learning dieses Jahr?“ Nichts gegen Anglizismen, aber es gibt schönere und unschönere Einsatzmöglichkeiten.

An der Verwendung gewisser Wörter und Redewendungen kann oft das Alter der Person abgelesen werden. Dazu gibt es auch eine englischsprachige Seite online, bei der Sie Ihr Geburtsjahr eingeben und erfahren können, welches Wort in diesem Jahr ins Wörterbuch neu aufgenommen wurde. Bei mir war es die Luftgitarre – bitte keine Witze!

Erwachsene, die im beruflichen Umfeld, vor allem in der Politik, „OMG“ oder „O mein Gott“ rufen ­­– „oh“ und „mein“ dürften leider gekommen sein, um zu bleiben ­­– wirken auch etwas deplatziert. Angebracht wäre ein solcher Kommentar bei einem sehr jungen Menschen über einen Flirtversuch des Schwarms bzw. der Flamme. Apropos Flamme, wir sehen: auch altmodische Begriffe sind oft genderneutral. So auch das dialektale „Enkerl“, kürzlich gehört im motivierenden Satz „Alle anderen in meiner Damenrunde haben schon Enkerl“.

Jene, die gerade Deutsch lernen und mit den vielen unvorhersehbaren Artikeln kämpfen, äh struggeln, könnten vielleicht mehr -erl, -lein oder -chen, je nach Region, als Verkleinerungsform verwenden. Aktuell wären „das Katzerl“ und „nur noch ein Kekserl“ und das darauffolgende „Nickerchen“ passend.

Im Portugiesischen, Italienischen und Spanischen wird bei der Verkleinerung eine Nachsilbe hinzugefügt. Diese Form ist in der Alltagssprache häufiger als bei uns zu finden, z. B. „Hübscher“, (Wienerisch „Fescher“): guapo, der zu guapito wird (Spanisch) oder die Suppe sopa wird zu sopinha, der Fisch peixe zu peixinho (Portugiesisch) und der Junge ragazzo zu ragazzino (Italienisch). Diese Sprachen erlauben generell auch die Vergrößerungsform mithilfe von Nachsilben. Im Deutschen verwenden wir dafür entweder ein Adjektiv davor, z. B. „ein riesiger Aufwand“, oder aber ein zusammengesetztes Substantiv, wie bei „Riesenaufwand“ und „Mega-Projekt“ und folglich „Mega-Pleite“.

Wenn Sie also Ihre guten Vorsätze bis zum nächsten Urlaub durchhalten, können Sie nun dank Verkleinerungsform eine kleine Portion des jeweiligen Gerichts bestellen – bei den vielen Gängen in Italien und den iberischen Nachspeisen könnte man jedoch die Vorsätze sowieso zu Hause lassen.

Zusätzlich zu einzelnen Wörtern hält in vielen Sprachen, und so auch bei uns, auch immer mehr die englische Grammatik Einzug. Kürzlich fuhr eine Fahrschule der Straßenbahn an mir vorbei ­­– mit dem Tourismus-Werbetext „Machen Sie außergewöhnliche Erlebnisse in … (unserem Nachbarland)“. Das hätten Sie jetzt nicht expected! Wie werden sie gemacht, die Erlebnisse? Und wer bekommt diese dann? Da gäbe es korrektere Alternativen. Bei der Übersetzung zu sparen ist nicht immer die beste Entscheidung.

Eine weitere salomonische Ausdrucksweise, auf die ich mittlerweile schon mehrmals in Online-Zeitungen oder Zeitschriften gestoßen bin, ist aus Englisch share, welches ein viel weiteres Bedeutungsspektrum hat als teilen, zum Thema Scheidung: „Es gab wenig Kommunikation zwischen ihm und Amira, mit der er zwei Söhne teilt.“ Teilt? Warum nicht hat? Dann können sie im Ganzen bleiben. Oder sie teilen sich das Sorgerecht, das hält es aus. Geteilt wird heutzutage sprachlich fast alles: Kontaktdaten, Gefühle, Bilder. Wenn ich meine Handy-Kontakte teile, habe ich danach im eigentlichen Sinn mehrere Gruppen, also mehrere Teile, so wie bei der Paella, die ich teile. Durch den Einfluss des Englischen und der Online-Welt, in der Dinge ganz bleiben, obwohl man sie teilt, versteht man derzeit darunter, dass ich sie an jemanden weitergebe (sie selbst aber trotzdem behalte). Wir haben sie, die Vorsilben, eine Besonderheit des Deutschen, durch die etwas ganz präzise ausgedrückt werden kann, mit-, ver-, auf-, ein-, also mitteilen, verteilen, aufteilen, einteilen uvm. Doch sie werden insgesamt, so scheint mir, seltener verwendet.

Schließen möchte ich heute mit der Aussage einer Passantin am Telefon, die zwar ernstgemeint war, mich aber zum Schmunzeln brachte: „Es ist emotionell derzeit so wie’s ist.“

Ich wünsche einen guten Start ins neue Jahr!

6 Gedanken zu “Gute Vorsätze

  1. So nice, wieder von dir zu lesen. Im Italienischen hätte ich bald behauptet, du hättest uns ghostiert. Mit einem „are“ wird ja alles zum italienischen Verb, wie gerade das sehr beliebte „ghostare“. So redet meine Tochter im Freundeskreis. 😂
    Saluti e Buon Anno! Anke

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    1. Danke! „Ghostare“ ist genial :-), bitte mehr davon. Es ist spannend, wie das Englische in den verschiedenen Sprachen eingebaut wird. Auch „smart working“ hört man hier zum Beispiel gar nicht. Frohes neues Jahr auch dir und liebe Grüße aus dem verschneiten Wien :-).

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