Das Gefühl, Hochdeutsch zu sprechen

<strong>Das Gefühl, Hochdeutsch zu sprechen</strong>

Nur die wenigsten sprechen Standarddeutsch… (nicht einmal Antonio Banderas am Feierabend)

Bozen im Jänner in einem Geschäft. Die Kassiererin telefoniert auf Deutsch mit einer Freundin und es fällt der Satz: „Es is‘ ein bissl tranquillo (ruhig).“ Und zum Abschied grüßt sie: „Ciao intanto (inzwischen).“ Eine schöne Mischung. So hätte ich es auch gerne gesagt. Am Tag der Abreise hörte ich den automatisierten Taxirufdienst, dessen Ansage in Mundart aufgenommen worden war. Das könnte man in Wien auch umsetzen.

Sprachwissenschaftlich sind Tirol und Südtirol sehr spannend. Lehnübersetzungen und Interferenzen aus dem Italienischen versüßen die Südtiroler Sprache im Deutschen. Wo es einerseits zu Mischungen mitten im Satz kommen kann, wird andererseits dank der offiziellen Mehrsprachigkeit – Deutsch, Italienisch und Ladinisch – öfter getrennt. So steht im deutschsprachigen Menü eines Gasthauses für Ravioli die Übersetzung Teigtaschen – ungewöhnlich.

Bitte nur Hochdeutsch in der Gondel

Auffi. In der Gondel nach Oberbozen saß eine junge Studentin aus Aachen. Sie sagte zu ihren Kommilitonen, nein, Studienkollegen: „Die glauben immer wegen meinem Hochdeutsch, ob ich hier Urlaub mach.“ Ich unterdrückte den Wunsch, ihr zu erklären, dass das, was sie spricht, ebenfalls kein „Hochdeutsch“ ist. Viele Menschen weltweit sind der Meinung, in Deutschland (außer Bayern) würden die Menschen völlig unmarkiert Standardsprache sprechen, im Rest der deutschsprachigen Welt hingegen jodelnd kommunizieren. Zu ihrer Verteidigung sei erwähnt, dass die junge Frau selbst auch aus sprachlichen Gründen mit Vorurteilen konfrontiert wird, wenn sie grundsätzlich für eine Touristin gehalten wird.

Mit „Hochdeutsch“ meinen wir Standardsprache. In der Linguistik wird dieser Begriff des Hochdeutschen nicht auf diese Art verwendet, da er sprachgeschichtlich etwas anderes bedeutet. Was die Dialekte betrifft, wurde in der Sprachgeschichte eine geografisch-motivierte Bezeichnung gewählt. Es wird zwischen Mittel- und Oberdeutsch (zusammen Hochdeutsch, „hoch oben auf den Bergen“) und Niederdeutsch (wo es flach ist, gemeint ist hauptsächlich Norddeutschland) unterschieden.

Nun war die Studentin in der Gondel der Meinung, sie spräche Hochdeutsch, also in der Standardsprache, was aber nicht der Fall war. Auch sie spricht in der „Umgangssprache“ ihrer Region. Sie unterliegt, wie viele, dem Glauben an einen homogenen Standard und der Möglichkeit einer akzentfreien Aussprache.

Nur eine Handvoll Menschen, wie Moderatoren und Schauspieler, sprechen in der Realität das, was man sich unter Standardsprache vorstellt: mit einer vorgeschriebenen, kodifizierten Aussprache.

Es gibt mehr als nur ein Standarddeutsch

Standarddeutsch wird also kaum gesprochen. Und: Es gibt nicht nur eines. In der Zeitung oder in Fernsehnachrichten kann man je nach Land Unterschiede erkennen. Die Sonne im österreichischen Wetterbericht klingt anders als die im Deutschen. Trotzdem handelt es sich in allen deutschsprachigen Ländern und Regionen immer um Standardsprache oder das, was an sie herankommen soll.

Es gibt verschiedene Standardvarietäten und wir sprechen beim Deutschen von Plurizentrik. Auch „Südtiroler Deutsch“ stellt eine Standardvarietät der plurizentrischen deutschen Sprache dar.

Standardsprachliche Unterschiede zwischen den Ländern gibt es vor allem im Wortschatz. Im Jahr 2004 erschien erstmals ein Variantenwörterbuch der geografischen Varietäten der deutschen Sprache. Mittlerweile wurde dieses Wörterbuch der Varianten, das Österreich, die Schweiz und Deutschland sowie Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol umfasst, auch mit Einträgen zu den deutschen Sprachgebieten in Rumänien, Namibia und Mexiko ergänzt. Zusätzlich gibt es aber auch grammatikalische Unterschiede beziehungsweise Vorlieben, wie wir einen Satz bilden. Ich bin in der Gondel gesessen, während die Studentin in der Gondel gesessen hat.

Außerdem dürfen wir in Österreich „der Polster“ und „das Monat“ in unserem Deutschaufsatz zum Besten geben, wobei in Deutschland „das Polster“ und „der Monat“ verwendet wird. Auch in der Rechtschreibung gibt es in seltenen Fällen verschiedene Regeln, wie bei „Dachgeschoß und Dachgeschoss“.

Verkehr mit der IT-Fachsprache

Zurück in Wien machte ich mich beruflich wieder ans Korrigieren. Mit kindischem Gemüt kommt man dabei immer wieder ins Schmunzeln. In einem Text im Bereich der Informatik wurde über Teams, die an Penetrationstests teilnehmen, geschrieben. Gemeint ist mit diesem fachsprachlichen Ausdruck die Prüfung der Sicherheit der Systeme, um keinerlei Hacker in die Systeme eindringen zu lassen.

Kürzlich las ich auch eine Online-Werbung für mehr organic traffic und lernte, dass es sich nicht um die neueste Organhandel-Aktion, sondern um den natürlichen, also organischen Verkehr (wir sagen besser Datenverkehr) handelt. Besucher der Website, die zum Beispiel über eine Suchmaschine – und nicht etwa über bezahlte Werbung – auf die Website gefunden haben.

Apropos Werbungen – online wird vermutet, ich hätte zu wenig Möbelstücke mit Namen, die wie jene der Verwandten aus „Immer dieser Michel“ klingen. Ein großes Möbelhaus wirbt mit „Ferien Aktion“, also Ferien und Aktion. Solche Fehler müssen nicht unbedingt sein. Im Englischen kann man in vielen Fällen solche Wörter ganz ohne Bindestrich schreiben. Im Deutschen aber nicht. Es können nicht einfach so zwei Substantive nebeneinanderstehen. (Bei Eigennamen usw. sieht das ganze wieder anders aus.) Ein Wort muss zusammengeschrieben werden und in einigen Fällen ist für die bessere Lesbarkeit auch die Bindestrichschreibung möglich: Ferienaktion oder Ferien-Aktion. 

Da finde ich das „Sandwich-Catering mit Profi“, wie bei einer Haltestelle geworben wird, viel sympathischer. Ich stelle mir dabei vor, wie ich selbst hundert Sandwiches vorbereite und in den Veranstaltungsraum schleppe, während der Catering-Profi zusieht und Expertentipps und Anweisungen gibt.

Lange Winterabende mit Antonio Banderas

Am Abend hat man dann im Winter die Möglichkeit, in Ruhe zu lesen oder Filme zu schauen. Die viel gerühmten langen Winterabende. Die ohne eingerollte Katze allerdings halb so gemütlich sind.

In einem eigenartigen Film sagt ein gutaussehender, aber mit einer etwas sinnbefreiten Rolle betrauter Antonio Banderas rührselig: „Meine arme Mutter aus Spanien kam in ein italienisches Dorf, ohne ein einziges Wort Italienisch zu sprechen.“ Mir kamen sofort die Tränen. Entweder die Mutter war sprachlich äußerst unbegabt oder die Drehbuchautoren.Denn allein schon das Wort Italienisch, italiano, haben beide Sprachen gemein. Daneben gibt es noch viele weitere Wörter, die sich gleichen, wie musica/Musik, cielo/Himmel oder triste/traurig und – vor allem – sì/sí – no/ja – nein. Auch wenn jede Sprache ihre eigenen Ausspracheregeln befolgt und ganz allgemein im Grunde vielleicht nichts übersetzbar ist, kann „kein einziges Wort“ nicht behauptet werden.

Trotz der Gemütlichkeit solcher Fernsehabende hoffe ich auf das sofortige Coronaende, damit wir, um uns zu unterhalten, nicht weiterhin anderen Menschen dabei zusehen müssen, wie sie Spaß haben und etwas erleben.

Um den langen Winterabenden zu entkommen, kann man auch Veranstaltungen besuchen, wenn sie nicht doch abgesagt oder in den seit der Pandemie recht vollen virtuellen Raum verschoben werden. Mit Maske, Haube, Schal und am besten dreiarmig Freischwimmer-Ausweis, ÖAMTC-Mitgliedskarte, Volksschulzeugnis und Bootsführerschein vorzeigend eine kleine Herausforderung. Eine weitere Möglichkeit für lange Winterabende ist der im Trend liegende Sport. Nach dem Motto: Hampelmänner und Hampelfrauen statt spätabendlichen Joggens zum Zigarettenautomaten. Nach meinem Kampfsporttraining musste ein Mädchen schnell los und erklärte: „Ich habe Feierabend.“ Feierabend, der freitags in Österreich gefühlt schon um 12:47 anfängt und nicht an die Tageszeit Abend gebunden ist. Keine andere mir bekannte Sprache hat eine Entsprechung parat. Ihre achtjährige Gesprächspartnerin fragte nach: „Feierabend?“ – „Ja, ich übernachte bei einer Freundin, wir machen eine Feier.“ Das halte ich für eine passende Neuinterpretation. Schön, dass mittlerweile auch schon Volksschulkinder Feierabend haben. Ich schließe mich ihnen nun an. Ciao intanto.

Herbststimmung: Veganer-Eis oder lieber ein warmer „shawl“?

Herbststimmung: Veganer-Eis oder lieber ein warmer „shawl“?

Die kühlen Temperaturen erfordern neue Worte!

Ich bin zurück aus Italien. Doch Italien ist auch hier! Auf dem Weg ins Café traf ich auf dieses nette Schild:

Eis aus Veganern?

Es schmeckt zwar sicherlich sehr gut, aber es sind ein paar Fehler im Eis … nein: Schild! Wie viele findet ihr? Veganer Eis sind zwei Wörter, die recht unmotiviert nebeneinander stehen (klingt nach meinem letzten Date). Bei Wörtern, Zahlen und Buchstaben geht es, wie bei allem im Leben, hauptsächlich darum, eine Beziehung darzustellen oder herzustellen. Ist das Adjektiv „veganes Eis“ gemeint oder der Begriff Veganer-Eis (auch in Ordnung, dann aber mit Bindestrich). Oder es gibt hier Veganer und Eis, was auch stimmt, allerdings ist nur das Nicht-Milchprodukt käuflich.

Interessant sind auch Heidelbeer und Himbeer. Brom- und Him- kommen übrigens sonst als Präfixe in keinen anderen Wörtern der deutschen Sprache vor, sind gebunden an die Beere. Lustig ist auch, dass nicht-wörterbuchkonform „Heidelbeere“ geschrieben wird, sondern das für den mündlichen Sprachgebrauch in der Kombination mit Eis üblichere Heidelbeer ohne e am Ende.

Der Bindestrich, der bei dem Veganer-Eis (ganz hip in Speisekarten auch gern veganer.eis kursiv geschrieben), ist heruntergefallen und hat ein Dunkle-schokolade-Wort gebildet. Hier braucht man ihn weniger, dafür bräuchte die Schokolade ein großes S.

Wer ganz genau schaut, hat auch auf dem Schild dahinter Kaffe entdeckt. Auch wenn ihn unsere Nachbarn aus Deutschland so aussprechen, wird er trotzdem Kaffee geschrieben. Doch die Italiener haben hier voraussichtlich ihren Caffè eingedeutscht mit K, kein schlechter Ansatz!

Ins Café geht man, den Kaffee trinkt man.

Da es den Wörtern, Buchstaben, Menschen und Molekülen (?) um die Beziehung zueinander geht, betrifft das auch Sprache an sich. Die kommunikative Aufgabe dieses Eisschildes ist gänzlich erfüllt, die Message angekommen. Ich sehe vor meinem inneren Auge zwei blaue Häkchen. Deshalb machen diese Fehler überhaupt nichts, höchstens das Geschäft sympathisch! Der kommunikative Zweck ist erfüllt.

hip hipper – am hipp(e)sten

Hip Hop (hip-hop)

Hipster

Hippie:  earlier (1953) a variant (usually disparaging) of hipster (1941) „person keenly aware of the new and stylish“ 

Wir staunen. Ein Hippie war bereits eine Variante eines Hipsters. (Zum Glück nur sprachlich.)

So neu sind unsere hippen Wörter auch wieder nicht, wie man sieht.

Aber jetzt … a bit more of bella Italia. Als ich in Italien ankam, lief im Bus von Catania nach Palermo das Radio und das Thema war Ablenkung am Steuer. Hoffentlich lenkte dieser Radiobericht nicht wiederum unseren Busfahrer ab. Ein Autofahrer wurde bestraft, weil er einen Teller Pasta am Steuer aß. Alle Achtung! Uns „Nicht-Italienischen“ gelingt das nicht einmal, ohne dabei ein Auto zu lenken; die langen Nudeln ohne Löffelhilfe elegant mit Soße auf der Gabel zu behalten! Complimenti! Wahrscheinlich blieb sein frisch gebügeltes Hemd (Grazie, mamma) sogar sauber dabei.

Die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in Sizilien macht Spaß. Ich fuhr Tage später von Palermo nach Cefalù, als mir ein besorgter brasilianischer Bekannter schrieb: „Pass gut auf dich auf.“ Ich reagierte cool: „Überhaupt nicht gefährlich“. In Cefalù wollte ich Luciano treffen, der von der anderen Seite der Küste mit der Bahn nach Cefalù kam. Ich erhielt eine Nachricht und einen Anruf auf Englisch (um nicht von allen verstanden zu werden) von ihm: „Es gab eine Schlägerei im Zug. Er musste angehalten werden, die Polizei ist da.“ Ups, verschrien.

War es ein Clown? Nein, aber es war eine Geschichte mit Zivilcourage. Schockierend fand ich hingegen die Mariahilfer Einkäuferinnen und Einkäufererer, die zusahen, als ein Clown (es klingt wirklich zu absurd um es auszuschreiben) auf eine Frau einschlug. Jemand bemerkte sogar, dass da etwas nicht ganz in Ordnung war, reagierte und …..

….. filmte! Klar. Was sonst? Der Clown hatte Glück, dass ich nicht in der Gegend war, ich habe es schon seit ES in den 90er Jahren auf ihn abgesehen. Kiiiiap!

Man könnte auch statt der unerfreulichen Nachrichten ein Buch lesen. So getan meine Mutter, auf Englisch. Und entdeckt: Es gibt viele schottische Wörter, die sehr an das Deutsche erinnern.

I dinna hold wi‘ your secrets, and a secret that the hail toun kens!

Ich like hail taun für whole town. Besonders verzückt bin ich bei kens mit k, wie kennen. I ken it. Falls euer Kind so bei der nächsten Englisch-Schularbeit schreibt, sagt einfach, „That’s Scottish English!“

Und bei besonders Hartnäckigen: He kens your secrets!

Ich wickle mich jetzt in meinen shawl (Englisch für großes Tuch, klingt aber schal/Schal, Germanisten-Witz, sorry, pals) und trete dem Herbst entgegen. Falls ihr noch mehr Fehler auf dem Eisschild entdeckt habt, die ich nicht gesehen habe, freue ich mich für euch. 😉

Schönen Herbstbeginn und lasst euch nicht von Clowns beißen!

Barbara

„bub“ verschollen im US-amerikanischen Feierabend

„bub“ verschollen im US-amerikanischen Feierabend

Warum das kein Schmafu ist, no offense.

Wir beginnen mit der Auflösung des Monats-Rätsels. Die rational-naturwissenschaftliche Herangehensweise an mese solare und mese lunare ist interessant, ich bekam sie als Antwort, aber – ihr habt es vermutet – nicht die italienische Erklärung, wann man denn nun parken darf. In Rom in einem Restaurant, was auch bedeuten kann mitten auf der Straße, es werden einfach Tische hingestellt, wo gerade Platz ist, sah ich vor mir ein Parkschild: erlaubt von bis (mese solare).

Die italienische Erklärung: das mese solare ist der erste (1.) bis letzte (max. 31.) Tag eines Monats, das mese lunare meint die Dauer eines Monats, theoretisch anscheinend 29,5 Tage, Frauen haben es hier mit der zeitlichen Orientierung etwas leichter. Ansonsten kann man nachsehen, ob der Mond in etwa gleich groß ist wie vor einem Monat. Also, wenn ihr gerade in Rom oder sonst wo in Italien einen Parkplatz sucht (ich wünsche es euch nur bedingt), seid ihr jetzt bestens informiert. Man könnte noch schöne Sonnen und Monde dazumalen, für jene, die der Sprache nicht mächtig sind, auch bei uns auf das neue, weltweit gültige Parkpickerl.

In Palermo geschah es den geparkten Autos in meiner Straße ab und zu, dass Teile davon verschollen gegangen sind (wie etwa Radkappen). Vorher sah man ambitionierte junge Männer beim Werken. Verschollen kommt übrigens nicht vom verloren gegangenen Pinguin auf der wegtreibenden Eisscholle. Leider. Sondern – surprise, surprise – von verschallen, also verhallen, verklungen und ist das veraltete 2. Partizip. Ich verschall, ich bin verschollen, könnte ein Ton sagen. Falls ein Ton einen Ton machen kann. Das wird zu philosophisch.

Verschollen sind viele Arbeitnehmer übrigens auch kurz nach ihrem (teils selbst bestimmten) Feierabend – der in Österreich gefühlter Weise schon um 16.30 bzw. freitags um 13.00 beginnt, während da von eins bis vier Südeuropäer gerade ihre dreistündige Siesta halten und bis abends dann noch nicht den Abend feiern. Ein befreundeter Spanier in Madrid schaute mich um 21.00 stolz an und sagte: „Möchtest du jetzt schon das Abendessen bestellen? Ich hab‘ mich extra darauf eingestellt, ich weiß, ihr esst ja so früh.“

Feierabend.

Ein sehr sympathischer Begriff des Deutschen, den ich in anderen Sprachen nicht kenne, es gibt auch keine wörtliche Entsprechung für unseren Feierabend, die mir bekannt wäre. Zu feiern gibt es auf jeden Fall, dass die Arbeit vorbei ist. Das Wort stammt ja von mittelhochdeutsch arebeit und seinen Vorstufen und bedeutet schlichtweg: Mühsal.

An manchen Feierabenden wird dann doch zu viel gefeiert. Das kommt dann teuer. Als ich vergangene Woche (an meinem Feierabend) in einem Lokal saß, redeten zwei Mädchen Anfang zwanzig miteinander, als die eine von ihnen meinte:

„Dafür muss ich tief ins Dekolleté greifen.“ Dekolleté oder Portemonnaie? Da keine der beiden lächelte und das Gespräch ernsthaft fortgeführt wurde, kann davon ausgegangen werden: Es war ihnen nicht bewusst.

Die beiden jungen Damen mit dem Griff ins Klo, Portemonnaie, nein, Dekolleté, waren übrigens große Fans von Anglizismen, hier ein paar Auszüge des Gesprächs:

„By the way….. ja und…. no offense, aber… es war schon sehr fancy…. das wird dann nicht so schlimm, wenn wir das durch drei splitten.“

Das fancyschmancy buzzword (Schlagwort) lassen wir ihnen noch durchgehen.

Listen up, bub!

Andere verbringen ihren Feierabend lieber mit einer Serie oder einem Film. Als ich (again, ups) vor ein paar Tagen Modern Family gesehen habe, sagte Mitchell am Telefon zu Cam:

„Listen up, bub!“

Ich spulte gleich zwei Mal zurück und mein germanistisches Herz machte einen Freudensprung über diesen Bub. Vom Verlobten meiner Freundin, der praktischer Weise US-Amerikaner ist, wurde bestätigt: „Ja, das kenne ich, baaab“ und sie voice-whatsappte mir seine Aussprache zu Studienzwecken. Der Wiener Bub in den USA also.

Alles ein Schmafu? Ja, gut möglich! So ein Schmafu!

Der ostösterreichische „Schmafu“ ist aus dem französischen Satz „je m’en fous“, also „ich mach mir nichts draus“ entstanden, großartig!

Und diesen Satz sollten wir uns auch zu Herzen nehmen, wenn es, wie so oft, etwas zum Ärgern gibt! „Je me …ähm … Schmafu!“

Zum Abschluss ein nicht schönes aber inhaltlich doch wieder schönes Graffiti aus Italien:

Mai più coprifuoco.

Nie wieder Lockdown ;), wortwörtlich Sperrstunde, wie couvre-feu, worüber ich Ende letzten Jahres geschrieben habe, das Feuer muss in den Latin(o)-Sprachen noch abgedeckt werden!

Wollen wir es hoffen. Nie mehr.

Das nächste Mal erfahren wir, was Erdnüsse auf Serbo-Kroatisch lautmalen – oder laut mahlen!

Bis dahin schönen Urlaub oder Feierabend, und wenn es zu viel Arbeit gibt, tut auf fancyschmancy oder einfach schickimicki und denkt: „Schmafu! Je m’en fous!“

B.

Blitzgewitter, Sprach-Mischungen und Spompanadeln

Blitzgewitter, Sprach-Mischungen und Spompanadeln

Manches wird so skurril, dass wir baff sind.

Der sicherste Weg etwas nicht zu tun, ist, es vorher groß anzukündigen. Das betrifft nicht nur Diäten, Radausflüge, Rauch-, Nasch-, Trinkpausen, Öffnungsschritte, Wahlversprechen und Besserungsschwüre, sondern auch Sprachkolumnen, die sich still und leise in die Sommerpause nach Südeuropa verabschiedet haben. Man verzeihe ihr die Abwesenheit. Das Zitronenblatt hat nun Sonne getankt und ist mit neu gesammelten Zitronenwörtern, grammatikalischen Stacheln und Sprachwurzeln zurück.

Da seid ihr jetzt baff.

Erst vor wenigen Tagen las ich diesen Ausdruck wieder und bemerkte, dass ich nicht weiß, woher er kommt. Die etymologische Erklärung ist unterhaltsam und wirkt zum Glück heutzutage skurril (lateinisch scurrilis, zu: scurra = Witzbold):

baff sein

sprachlos sein
 ♦ 
der Ausdruck ist lautmalerischen Ursprungs und ahmt den Schuss eines Gewehres nach; schon im 17. Jh. war die Wendung baff sein eine Bezeichnung für jemanden, der dasteht, als wäre er von einem Schuss erschreckt worden.

Ich bringe auch ein echtes Beispiel, wie man es auch bei Deutschlernenden immer anbringen sollte, denn die selbstgebastelten Sätze der unauthentischen Sprachverwendung lehren keine lebende Sprache, sondern höchstens die Anwendung in Lückentexten (die es in der Realität auch nicht gibt, außer fernmündlich bei schlechter Verbindung oder bei Beziehungsenden, die aus missverständlichen WhatsApp-Chats bestehen, hier werden naturgemäß Namen, Uhrzeiten und andere Fakten ausgelassen).

Das Beispiel:

Erst war ich baff, dann bekam ich große Lust dazu. (Die Zeit, 25.06.2003, Nr. 26).

Ja. Das kennen wir.

Baff war ich auch, als eine in die Medien gekommene Online-Fitness-Trainerin aus dem 11. Bezirk sagte: „Ich zeige euch tolle Core-Übungen.“ Dieses „Core“ sprach sie Wienerisch-Englisch aus, was diesen Satz hervorbrachte: „Ich zeige euch tolle Chor-Übungen.“ Was genau ist der kommunikative Wert einer solchen Sprachmischung? Der Vorteil der deutschen Sprache ist, nein nicht, wie man annehmen müsste, ihr romantisches Ausdrucksvermögen, sondern dank Präfixverben (also ver-, um-, zu-, weg- usw.) und Zusammensetzungen: die Exaktheit, weshalb sich philosophische Texte gut auf Deutsch lesen lassen.

Englisch zeichnet sich anderwärtig aus. (Durch ein sehr großes Vokabular zum Beispiel). Ich habe ein paar Übersetzungen für die Chor-Fitness-Trainerin gesammelt.

Hardcore. Core ist nicht gleich Core:

  • der Kern  Pl.
  • die Ader  Pl.: die Adern
  • das Herzstück  Pl.: die Herzstücke
  • das Innerste  kein Pl.
  • das Kerngehäuse  Pl.: die Kerngehäuse
  • das Kernstück  Pl.: die Kernstücke
  • das Mark  kein Pl.
  • das Kernhaus  Pl.: die Kernhäuser
  • das Mittelstück  Pl.: die Mittelstücke
  • der Schacht  Pl.: die Schächte
  • der Innenteil  Pl.: die Innenteile
  • das Innenteil  Pl.: die Innenteile
  • der Core   [Spieltheorie]
  • der Bohrkern  Pl.: die Bohrkerne
  • der Magnetkern  Pl.: die Magnetkerne
  • der Rollenkern  Pl.: die Rollenkerne
  • der Spulenkern  Pl.: die Spulenkerne
  • der Ventileinsatz  Pl.: die Ventileinsätze
  • die Einlage  Pl.: die Einlagen
  • die Hülse  Pl.: die Hülsen   [Papier und Zellstoff]
  • der Gusskern  Pl.: die Gusskerne
  • die Kabelseele  Pl.: die Kabelseelen
  • der Eisenkern  Pl.: die Eisenkerne
  • das Gelege  Pl.: die Gelege   [Hebetechnik]
  • der Grundkörper  Pl.: die Grundkörper   [Schleiftechnik]
  • der Trägerkörper  Pl.: die Trägerkörper
  • die Seele  Pl.: die Seelen
  • der Nukleus  Pl.: die Nuklei
  • der Silbengipfel  Pl.: die Silbengipfel
  • der Silbenkern  Pl.
  • die Kerndichtung  Pl.: die Kerndichtungen   [Wasserbau]
  • der Hülsen-Innendurchmesser
  • der Dämmkern  Pl.: die Dämmkerne
  • der Dichtkern  Pl.: die Dichtkerne
  • der Einbruch  Pl.: die Einbrüche
  • die Innendichtung  Pl.: die Innendichtungen

Na, wusstet ihr, dass Kabel Seelen haben?

Eine weitere Frage, die sich bei häufigen Sprachmischungen mitten im Satz auch stellt, ist: Weshalb müssen politisch korrekte Begriffe Englisch sein? Sind sie sonst weniger korrekt? Muss es Awareness-Teams, LGBTQIA und Body Positivity heißen? Schließe ich damit sprachlich nicht wiederum Menschen aus, die diesbezüglich nicht informiert sind oder kaum Englischkenntnisse besitzen?

Wenn ich sprachsensibel mit einem Thema umgehen möchte, macht es Sinn, mich darüber mit den Menschen (in meiner direkten Umgebung, vor Ort, nicht über Twitter) zu unterhalten und Sprachbarrieren abzubauen.

Apropos Anglizismen. Leider hat ein gutes Lokal bei mir um die Ecke bis jetzt nicht mehr aufgemacht, dafür aber die Präsenz im Bezirk Neubau verstärkt, was wir jetzt weniger liken. 😉

Das Lokal neigt zudem in letzter Zeit sehr zum Sprachmischmasch auf SM.

Social Media, was denkt ihr?

„Schnapp dir deine two best friends und kostet euch durch unsere OPENING-PARTY.“

(Vielleicht ein raffinierter Weg, dem Gendern bzw. Gegendere zu entgehen?)

Eins zwei oder drei

… letzte Chance … vorbei! Ob ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das Licht angeht.

1. Macht’s Spompanadeln! Ein schönes österreichisch-umgangssprachliches Wort, das es nur in der Mehrzahl gibt (ein Pluraletantum also) und wir dem Europameisterschaft- und Songcontest-Gewinner des Jahres verdanken. Da ich auf ihn bereits vor Austragung der Wettbewerbe gesetzt habe, verdanke ich ihm auch meine nächste Italienreise. Grazie, ragazzi. Herkunft: italienisch spampanata = Aufschneidereien.

2. Wenn ihr in Wien seid: Besucht eines der neuen Rooftop-Lokale (oh wow, ihr habt mich erwischt, ich wurde „eh auch“ sprach-gechipt, OH MY GOD, total crazy) am Prater. Die Ringelspiele oder dialektaler Drahdiwaberl von oben zu sehen hat vor allem abends viel Charme!

3. Ein Vorschlag für ein schöneres Filmerlebnis, denn das nahende Gewitter legt einen gemütlichen Filmeabend nahe: Statt mit „Bullshit“ zu synchronisieren, bin ich eindeutig für eines dieser Wörter: Mumpitz (aus dem 19. Jahrhundert, Berliner Börsenjargon), Unsinn, Humbug, Schmarr’n, Nonsens oder Blödsinn. Genauso wenig sprachlich wertvoll ist für mich der Ausdruck Shitstorm, also Scheiße-Sturm (*räusper*), der sogar in den ZIB-Nachrichten verlesen wird. Ich stelle mir dabei immer einen Volle-Windel-Tornado vor.

Das Bored-Out des gelangweilten Büromitarbeiters im Gegensatz zum Burn-Out ist eines der Trendwörter der letzten Zeit, mit dem ich mich anfreunden kann. Es ist auch schöner, Langeweile als ein Burnout zu haben.

Mit diesen Worten: Schönen Sonntagabend!

Und als Italien-Quiz für nächstes Mal:

Was versteht man unter einem mese solare (Sonnenmonat) im Gegensatz zu einem mese lunare (Mondmonat)?

Alles Liebe

Barbara

Partypreise statt Partyreise – von reizlosen Reizen im Lockdown

Partypreise statt Partyreise – von reizlosen Reizen im Lockdown

Warum sich *reiz- aktuell hervorragend zur Wortbildung eignet und was wir international essen.

Ich widme die heutige Kolumne meinem Universitätsprofessor Franz Patocka. Während des gesamten Studiums (das waren viele Jahre, war ich doch dazwischen jahrelang im Ausland und lernte alles mögliche Andere als Germanistik, wie z. B. brasilianische Samba/Axé-Choreografien und sizilianische Rezepte und Sprichwörter) besuchte ich spannende Seminare und Vorlesungen bei ihm zum Thema Sprachwissenschaft. Es ging um bairische Dialekte, also unsere, Fachsprachen der Arbeitswelt, Syntax (Satzbau) in schriftlicher und mündlicher Sprache und vieles mehr. Ich schrieb auch meine Diplomarbeit zur Wortbildung bei ihm, bei der ich endlich – spät aber doch – dank seiner strengen Verbesserung auch noch die richtige Kommasetzung, den Unterschied zwischen den Bindestrich-Längen und mehr lernte.

Zu einem Seminar zu Fachsprachen gab es in einem Semester nur zwei Anmeldungen. Prof. Patocka lachte und sagte scherzhaft, er werde eine Alternative für mehr Zulauf anbieten, könne uns aber genauso gut etwas über diese Fachsprachen im Kaffeehaus erzählen, wenn wir wollten.

Sein trockener Humor und seine sprachwissenschaftliche Arbeit haben sehr viele Studenten und auch Kollegen über Jahrzehnte beeinflusst. Er unterrichtete bis jetzt, noch im Wintersemester 2020, auch nach seiner Pensionierung weiter und es macht mich sehr traurig, dass er vor wenigen Tagen von uns gegangen ist.

Was uns momentan im alltäglichen Lockdown-Leben fehlt, sind die Reize. Unsere Umgebung (Homeoffice = Zuhause und die Parks, die wir auswendig kennen) ist reizarm geworden, fast alles erscheint reizlos. Was folglich dafür sorgt, dass wir reizbar und gereizt statt reizend sind. Neue Eindrücke kommen nur in digitaler Form zu uns, was ein Gefühl der langsamen Verblödung hervorruft. Nach dem Motto: langsam aber sicher. So legte ich mein Buch gestern weg, um stundenlang durch grüne Röhren zu klettern und feuerspeiende, fleischfressende Pflanzen und gemeine Männchen auf Wolken zu bekämpfen (Super Mario). Andere sehen stundenlang Netflix-Serien oder liegen, wie auch ich kürzlich, mit gequält-fröhlichem Gesichtsausdruck bei etwa 10 Grad, gefühlt -5 dank Wind, bibbernd in irgendwelchen Wiesen.

Auf der Facebook-Seite der Büchereien Wien gibt es heute wieder einmal einen sehr amüsanten Beitrag dazu:

„Der große Vorteil des Arbeitens ist ja, dass man in der Zeit zumindest nicht spazieren gehen muss.“

Die Bild-Zeitung berichtete vor einigen Tagen vom Ösi-Wunder, bei dem es um irgendetwas ging, das hier besser klappt. Was das Wunder genau war, weiß man schon nicht mehr, da sich zurzeit die Nachrichten täglich ändern und überschlagen. Am besten man steckt, wie Super Mario und Luigi (Ciao, bello), den Kopf in einen leeren Blumentopf.

Bis der Hunger kommt. In meinem Buch las ich von „Karbonade“, aus dem Französischen: auf Kohlen geröstetes Fleisch. Das ist gleichbedeutend mit carbonata im Italienischen, Italienische carbone, Latein(isch haha) carbo, also Kohle. Was mich an die Carbonara erinnert. Die etymologische Herkunft des Namens dieses einzigartigen Pasta-Gerichts (piatto ist sowohl der Teller, als auch Gericht) ist umstritten. Wahrscheinlich kommt er daher, weil sie die carbonai (dt. Köhler/Kohler, Kohlenbrenner) aus den Abruzzen zur Stärkung nach getaner, harter Arbeit zubereiteten. Bravi!

In Österreich und ein paar Nachbarländern ist es durchaus legitim, ein süßes, warmes Mittagessen zu genießen, wie Apfelknödel, Buchteln, Kaiserschmarrn und mehr. In Italien, Portugal, Frankreich usw. reagierten die Leute daraufhin genauso aufgeschlossen wie ich, als ich in Japan zum Frühstück im Ryokan, jap. 旅館, wortwörtlich Reisegasthaus, Suppe und rohen Fisch bekam.

Eine Mahlzeit im Ryokan, in Hakone.

Japan war sehr schön, spirituell und keine klassische Partyreise, wie damals Ios, Ibiza und manchmal auch Lissabon. In der U-Bahn-Station Schwedenplatz gab es (gibt es noch?) ein Reisebüro für Last-Minute-Reisen. Da ich immer schon ständig dort vorbeiging, war auch die Buch-Versuchung für die nächste Partyreise zu Studentenzeiten groß.

Neu ist jetzt rechts und links der Rolltreppe Richtung Eissalon etwa 83.746.364 Mal die gleiche Werbung nebeneinander. Ich las vor wenigen Tagen Partyreise (Freudscher Verleser). Wobei der Supermarkt aber leider mit Partypreisen lockte. Was für eine Party bitte? Ich möchte dann bitte lieber Ios+, das wäre dann Mykonos. Wie viele Rabattmarkerl brauche ich dafür?

Thema Reisen (die Jüngeren von euch wissen vielleicht nicht mehr, was das war): Eine Freundin von mir plant momentan einen längeren Aufenthalt in Mexiko. Das erscheint uns allen im Augenblick so in etwa wie ein Flug im Mars-Hubschrauber mit dem schönen Namen Ingenuity, der Farb-Fotos, die an bestimmte Gebiete Mexikos erinnern, schießt. BITTE LÄCHELN.

Ich bevorzuge zurzeit die Trend-Region Wagram. Die ÖBB bewirbt sie in der Bahn mit den sehr interessanten Adjektiven: abgehoben . bodenständig. (Mit Punkt in der Mitte, kreative Satzzeichenfreiheit? Soll ein Schlaf-Wagen durchpassen?) Also sowohl für Snobs, als auch für Leute auf der Suche nach nicht-japanischen traditionellen Wirtshäusern? Ist abgehoben etwas, was man möchte, fragt man sich da. Aktuell wohl ja, wir wollen abheben und am liebsten mit einem Hubschrauber auf dem Mars herumfliegen. Darauf spazieren bitte nicht.

Ja, fliegen…

Als ich vorgestern durch den Donaupark gehe (NICHT SPAZIERE), laufen zwei Kinder neben mir. Der Bub sagt: „Wir können nicht fliegen. Nur wenn wir Zauberkräfte haben, stimmt’s, Paulina?“ Und Paulina bejaht.

Ich hoffe, wir finden diese Zauberkräfte.

🍋🍃. Schöne Woche! Trotz allem.

Barbara

Der Rote Fuchs und das Unaussprechbare

Der Rote Fuchs und das Unaussprechbare

Von sprichwörtlichen Tieren und archaischen Tabu-Wörtern

Wie ich in meinem Beitrag Razzia im Beisl, schreibt auch jemand in der heutigen Sonntags-Kolumne im Kurier über den nicht-scheuen Fuchs in Schönbrunn (zoolos), der gemütlich neben den Spaziergehenden herumgeht. Er ist berühmt, wie mir scheint.

Ich wurde kürzlich von einem US-Amerikaner (Brasilianer sind auch Amerikaner, nur eben andere) darauf aufmerksam gemacht, dass das Deutsche sehr viele Sprichwörter und Redewendungen aus Natur und Landwirtschaft bietet. Der hat wohl einen Vogel, dachte ich sofort.

Dazu vorab eine Frage: Wenn etwas nicht klappt oder ihr bemerkt, dass morgen schon wieder Montag ist, wurmt es oder fuchst es euch?

Der Fuchs hat es also im Deutschen sogar ins Verb geschafft. In Adjektiven ist er auch zu finden, wie zum Beispiel in fuchsteufelswild. Er wird also mit Ärger und Schläue (schlau wie ein – alter – Fuchs) verbunden, weshalb man den Fuchsjungen oder das Fuchsmädchen aus Schönbrunn vielleicht nicht auf die (Weihnachts-)Palme bringen sollte.

Beliebt ist auch die Beschreibung „wo sich Fuchs und Hase ,gute Nacht‘ sagen“ (auch in der Variation einer älteren Redensart, wahrscheinlich, weil es damals auch noch mehr gab, die lautet: „wo die Wölfe einander ,gute Nacht'“ sagen). Genau dort, wo also nicht „der Bär los“ ist.

Wenn man von einem Thema mäßig begeistert ist oder lieber keine Lösung finden möchte, kann man auch sagen: „Danach kräht in ein paar Tagen kein Hahn mehr“, und „Das ist sowieso für die Katz/den Hugo“ (Oder gleich im Dialekt: … de Fisch!)

Was mir bei dem Wetter aktuell einfällt, ist das schöne Verb einigeln. Nach ein paar Stunden oder Tagen muss man aber irgendwie trotzdem wieder hinaus. Einige gehen, ganz entsprechend der neuen Corona-no-Punsch-no-more-Regel in Österreich, mit einer Thermosflasche bewaffnet spazieren. In dieser ist meistens nicht (nur) Tee sondern Haselnussschnaps, Wichtelschnaps, Rum und Sonstiges zu finden. Man muss gestehen: Angeheitert sehen die Weihnachtslichter der Stadt und die anderen Herumirrenden (unentschlossen zwischen Weihnachts-Stress und Lockdown-Langeweile) doch noch netter aus.

Wenn jemand fragt oder euch zur Schnecke machen will: Bindet ihm einen Bären auf und schwärmt vom wärmenden Früchte-Kräuter-(Willi)-Tee im Becher oder in der Thermosflasche. Wer auf den Kater am nächsten Tag lieber verzichtet, kann sich auch bei einer der hippen Bäckereien für teures, sehr gutes Brot stattdessen anstellen oder gar vor der Buchhandlung.

Sei kein Frosch!

Der Bär kommt übrigens bei uns recht häufig sprichwörtlich vor. Die frequenteste Tierbezeichnung im Deutschen ist Überraschung (ich mag Überraschungen) „Bär“, in den BKS-(Bosnisch/Kroatisch/Serbisch) Sprachen ist es „pas“ (Hund).

Doch das war nicht immer so. Die meisten der europäischen Sprachen gehen auf das Indoeuropäische zurück und der Bär ist eines der beliebtesten Beispiele für das archaische Sprachtabu. Der Aberglaube verbot die Nennung des Tiers, um es nicht herbeizurufen (wer „The Revenant“ mit Di Caprio gesehen hat, weiß auch, warum). Der lateinische Name lautete ursus: Wie heutzutage in den romanischen Sprachen und Sternbildern zu finden.

Die germanischen Sprachen führten wegen diesem Tabu einen anderen Namen ein: althochdeutsch bero, mittelhochdeutsch ber. Bär bedeutet wahrscheinlich einfach „der Braune“.

Auch die Slawen hatten ein ausgeprägtes Bären-Tabu. Deshalb wurde der zottlige Bär als Honigesser (ursprünglich medú jed) umschrieben und heißt heutzutage auf Serbisch medved, auf Kroatisch/Bosnisch medjved.

Doch das Tabu hat sich (wahrscheinlich aufgrund bärenfreundlicher Umstände) länger gehalten. Denn man sagt in den BKS-Sprachen weiterhin nicht, wie im Deutschen, „stark wie ein Bär“ sondern lieber „stark wie ein Wolf“ oder „stark wie ein Stier“.

Nach dem Ausflug in die Sprachgeschichte (Schüler würden vielleicht sagen: keinen Bock!) etwas vielleicht Spannenderes zum Thema Tabu. Ihr fragt euch: Was zum Geier? Gut, ich lasse die Katze aus dem Sack:

Das männliche Geschlechtsorgan wurde in mehreren indoeuropäischen Sprachen tabuisiert und das Glied genannt, also möglichst neutral als eine Extremität bezeichnet. (Falls sich einige bereits über die deutsche Bezeichnung gewundert haben.) Über neue Bezeichnungen gehe ich an dieser Stelle nicht ein, sie dürften überaus bekannt sein.

Apropos Tiersprichwörter: Bei der Überlieferung aus der Bibel klappte etwas nicht, weshalb nun Kamele statt Schiffstaue durch das Nadelöhr spazieren. Das finde ich aber nicht schlecht, sie geben ein viel schöneres Bild ab.

Auch die berühmten Schmetterlinge im Bauch sind schöne Bilder, die es zu wünschen gilt.

Gute Nacht!