Als ich vor einigen Wochen nach Flügen suchte und daraufhin die Sparschiene buchte, schlug mir die Suchmaschine eine – ihr zufolge häufige – Frage vor: Welcher Flughafen fliegt direkt nach Phuket? Ungläubig, was auf inhaltlicher Ebene hier passiert war, frage ich mich: Fliegen Flughäfen nach Thailand? Vielleicht eine Idee für Science-Fiction. Flughäfen lösen sich von der Erde und fliegen Multi-Stopp nach Thailand.
Dann doch lieber zu Fuß. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich, den inneren Schweinehund überwindend an meine Gesundheit denkend, bei der derzeitigen Kälte den Weg zu Fuß gehe (und wegen meines nicht vorhandenen Orientierungssinns oft Maps verwende), ärgere ich mich jedes Mal, wenn dann am Ziel angekommen „Fahrt beenden?“ vorgeschlagen wird. Was für eine Fahrt?
Da wir dennoch alle genau verstehen, was gemeint ist, geben wir uns seufzend zufrieden. Praktisch, diese smarten Stadtpläne. Sprachlich ein Schmarren, aber wir fangen an, uns daran zu gewöhnen, Dinge zu überlesen und zu überhören. Dinge, die im Prinzip einfach abgeändert werden könnten.

Ein ähnliches Beispiel ist die Tastatur des gemeinen Fußvolks, also jener Menschen, die nicht in Besitz eines iPhone(s) sind. Die Standardversion bietet im Deutschen keine Redezeichen unten. Ätsch. Wozu auch? Die oberen tun es ja auch. Ist zwar falsch, aber seit Jahren wird das Redezeichen unten als Sonderzeichen behandelt. Allesamt nervige Lösungen wären da: Zwei Kommata hintereinander – Schriftsetzende laufen schreiend aus dem Haus –, die Redezeichen als Sonderzeichen einfügen – jede geschriebene Nachricht zu verfassen dauert dann so lange wie manche Podcast-Sprachnachrichten unserer Lieben – oder eine zusätzliche Tastatur-Applikation installieren – mit zwei Euro wahrscheinlich die günstigere Option verglichen mit Option vier, dem iPhone-Kauf.
Hilfe in der Fremdsprache – auch wir halluzinieren gerne
Sehr erfreulich finde ich andererseits die kürzlich entdeckte Funktion, dass mir, wenn ich einen Text auf Englisch oder Italienisch lese und ein Wort anklicke, ein kurzer Wörterbucheintrag mit Synonymen in dieser Sprache vorgeschlagen wird – anstatt einer Übersetzung. So eine Funktion hätte ich auch gerne in fremdsprachigen Büchern, wenn ich einerseits gerne im am besten einsprachigen Wörterbuch nachsehen würde, was das Wort eigentlich genau bedeutet, andererseits einfach weiterlesen und nicht danach die Zeile wieder suchen möchte. Dann besteht meist eine 50/50-Chance, ob ich es aus dem Kontext heraus doch verstehe oder eben irgendetwas anderes halluziniere.
Korrigiere ich Übersetzungen der KI, so finde ich keine Rechtschreibfehler und so gut wie keine Grammatikfehler mehr. Irgendwie angenehm. Ich vermisse sie trotzdem beinahe, sie haben so etwas – ja, Menschliches – an sich. Inhaltlich gibt es hingegen durch das falsch „Verstandene“ (von Verstehen kann hier keine Rede sein) oft Dinge, die korrigiert werden müssen. Gibt es eigentlich schon ein Verbot, Literatur maschinell zu übersetzen? Wie oberflächlich und kulturell reduziert muss ein Text sein, um „universell“ verstanden zu werden? Das gelingt nicht einmal mit einem einzigen Wort. Von diesem Anspruch sollte man absehen, das Konzept der Unübersetzbarkeit immer im Hinterkopf behalten.
Reden wir darüber
Anders sieht es mit der Fehlerkultur bei der mündlichen Sprachverwendung aus. Im Alltag hört man täglich Dialekte, Akzente, individuelle Sprechweisen (die nuschelt, der schreit) und auch Fehler, jedenfalls keinen Einheitsporridge. Und das tut gut. Es ist unaufgefordert auch nicht notwendig, andere erwachsene Menschen auszubessern. Fehler oder Irrtümer sind Teil der Kommunikation, unvermeidbar und oft sehr kreativ.
Wer bei der Gelegenheit, mit einer Person nebenan beim Abendessen im Urlaubsland zu plaudern, lieber unnatürliche Sprache sucht und zehn Minuten mit der Lern-App spielt, verpasst etwas. Die Apps können als Trainer (ganz nach der pattern drill-Methode vor sechzig Jahren, bei der Lernen durch ständiges Wiederholen erfolgt) und als kleines Extra unterhaltsam und praktisch sein. Aber keinen Ersatz für Kommunikation bieten. Wie wäre es stattdessen mit „Hallo, wie geht’s?“ und „Ich will das, was sie hatte“, mit vielleicht zwei Fehlern und einem Lächeln.
Ich wünsche einen angenehmen Dezember mit vielen Spaziergängen ganz ohne Apps. Denn das Verirren ist dann doch oft das Beste daran.
Liebe Barbara, du sprichst mir in so vielen Punkten aus der Seele. Ich ärgere mich jedes Mal beim Texten mit dem Smartphone über die falschen Anführungszeichen (obwohl der Empfänger vermutlich gar nicht darauf achtet). Von (Literatur-)Übersetzungen ganz zu schweigen. Mit KI: alles richtig, nichts gut. Beim Lesen in Italienisch halluziniere ich oft oder frage, falls im Raum, meine Tochter nach einem mir unbekannten Wort, um die Zeile nicht zu verlieren. Manchmal kennt sie den Begriff auch nicht. Aber dann erkläre ich den Kontext und wir finden eine mögliche Interpretation. Es ist beim Lesen wie beim Betrachten eines Gemäldes: Die Kunst liegt im Auge des Lesers/Betrachters.
Dir auch noch einen schönen Dezember und ja, ich frage auch lieber nach dem Weg als mit der App zu verzweifeln. 😊
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Liebe Anke, das ist schön zu hören, dass es nicht nur mir so geht! Ja! Nach dem Weg fragen ist viel netter und oft auch viel hilfreicher. In vielen Orten kennen die Leute die Busfahrzeiten und wie es um die Pünktlichkeit steht, aber die Apps haben keine Ahnung.
Freut mich sehr, dass auch du manchmal noch halluzinierst und mit deiner Tochter gemeinsam über seltsame Wörter sprichst. Das stimmt, die Leserinnen und Leser interpretieren sowieso hinein, was sie wollen 🙂 Ganz liebe Grüße nach Italien!!
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