Kuriose Übersetzungen und die Illusion der perfekten Sprachverwendung

Als ich vor einigen Wochen nach Flügen suchte und daraufhin die Sparschiene buchte, schlug mir die Suchmaschine eine – ihr zufolge häufige – Frage vor: Welcher Flughafen fliegt direkt nach Phuket? Ungläubig, was auf inhaltlicher Ebene hier passiert war, frage ich mich: Fliegen Flughäfen nach Thailand? Vielleicht eine Idee für Science-Fiction. Flughäfen lösen sich von der Erde und fliegen Multi-Stopp nach Thailand.

Dann doch lieber zu Fuß. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber wenn ich, den inneren Schweinehund überwindend an meine Gesundheit denkend, bei der derzeitigen Kälte den Weg zu Fuß gehe (und wegen meines nicht vorhandenen Orientierungssinns oft Maps verwende), ärgere ich mich jedes Mal, wenn dann am Ziel angekommen „Fahrt beenden?“ vorgeschlagen wird. Was für eine Fahrt?

Da wir dennoch alle genau verstehen, was gemeint ist, geben wir uns seufzend zufrieden. Praktisch, diese smarten Stadtpläne. Sprachlich ein Schmarren, aber wir fangen an, uns daran zu gewöhnen, Dinge zu überlesen und zu überhören. Dinge, die im Prinzip einfach abgeändert werden könnten.

Routenplanung früher (Pexels)

Ein ähnliches Beispiel ist die Tastatur des gemeinen Fußvolks, also jener Menschen, die nicht in Besitz eines iPhone(s) sind. Die Standardversion bietet im Deutschen keine Redezeichen unten. Ätsch. Wozu auch? Die oberen tun es ja auch. Ist zwar falsch, aber seit Jahren wird das Redezeichen unten als Sonderzeichen behandelt. Allesamt nervige Lösungen wären da: Zwei Kommata hintereinander – Schriftsetzende laufen schreiend aus dem Haus –, die Redezeichen als Sonderzeichen einfügen – jede geschriebene Nachricht zu verfassen dauert dann so lange wie manche Podcast-Sprachnachrichten unserer Lieben – oder eine zusätzliche Tastatur-Applikation installieren – mit zwei Euro wahrscheinlich die günstigere Option verglichen mit Option vier, dem iPhone-Kauf.

Hilfe in der Fremdsprache – auch wir halluzinieren gerne

Sehr erfreulich finde ich andererseits die kürzlich entdeckte Funktion, dass mir, wenn ich einen Text auf Englisch oder Italienisch lese und ein Wort anklicke, ein kurzer Wörterbucheintrag mit Synonymen in dieser Sprache vorgeschlagen wird – anstatt einer Übersetzung. So eine Funktion hätte ich auch gerne in fremdsprachigen Büchern, wenn ich einerseits gerne im am besten einsprachigen Wörterbuch nachsehen würde, was das Wort eigentlich genau bedeutet, andererseits einfach weiterlesen und nicht danach die Zeile wieder suchen möchte. Dann besteht meist eine 50/50-Chance, ob ich es aus dem Kontext heraus doch verstehe oder eben irgendetwas anderes halluziniere.

Korrigiere ich Übersetzungen der KI, so finde ich keine Rechtschreibfehler und so gut wie keine Grammatikfehler mehr. Irgendwie angenehm. Ich vermisse sie trotzdem beinahe, sie haben so etwas – ja, Menschliches – an sich. Inhaltlich gibt es hingegen durch das falsch „Verstandene“ (von Verstehen kann hier keine Rede sein) oft Dinge, die korrigiert werden müssen. Gibt es eigentlich schon ein Verbot, Literatur maschinell zu übersetzen? Wie oberflächlich und kulturell reduziert muss ein Text sein, um „universell“ verstanden zu werden? Das gelingt nicht einmal mit einem einzigen Wort. Von diesem Anspruch sollte man absehen, das Konzept der Unübersetzbarkeit immer im Hinterkopf behalten.

Reden wir darüber

Anders sieht es mit der Fehlerkultur bei der mündlichen Sprachverwendung aus. Im Alltag hört man täglich Dialekte, Akzente, individuelle Sprechweisen (die nuschelt, der schreit) und auch Fehler, jedenfalls keinen Einheitsporridge. Und das tut gut. Es ist unaufgefordert auch nicht notwendig, andere erwachsene Menschen auszubessern. Fehler oder Irrtümer sind Teil der Kommunikation, unvermeidbar und oft sehr kreativ.

Wer bei der Gelegenheit, mit einer Person nebenan beim Abendessen im Urlaubsland zu plaudern, lieber unnatürliche Sprache sucht und zehn Minuten mit der Lern-App spielt, verpasst etwas. Die Apps können als Trainer (ganz nach der pattern drill-Methode vor sechzig Jahren, bei der Lernen durch ständiges Wiederholen erfolgt) und als kleines Extra unterhaltsam und praktisch sein. Aber keinen Ersatz für Kommunikation bieten. Wie wäre es stattdessen mit „Hallo, wie geht’s?“ und „Ich will das, was sie hatte“, mit vielleicht zwei Fehlern und einem Lächeln.

Ich wünsche einen angenehmen Dezember mit vielen Spaziergängen ganz ohne Apps. Denn das Verirren ist dann doch oft das Beste daran. 

Eine Frage der richtigen Länge

Sonntag Nachmittag. Ein angeheitertes Paar Anfang zwanzig unterhält sich mit einem Drink in der letzten Reihe der Straßenbahn über die Band des jungen Mannes:

„Wir werden uns jetzt umbenennen.“
-„Ja, ich weiß, ich hab das Reel gesehen.“
„Hast es ganz angeschaut?“
-„Ja.“
‚Wow, super, das dauert nämlich zwei bis drei Minuten.“

Und, habt ihr diesen Text fertig gelesen oder nach dreißig Zeichen entnervt das Fenster geschlossen?

Hallo?

Von diversen Models und halbherzigen Wander-Motivationen eines Kindes bis hin zu „tipsy“ Großmüttern

5G: Gefühlt

In einem Interview las ich kürzlich die Aussage „In der Branche ist es sogar sehr gefragt, dass man divers ist.“ Ein eigentlich absurder Satz. Gemeint war übrigens die Modebranche. Diversität (auch Diversity) heißt, sich in bestimmten (in verschiedenen Konzepten festgelegten) Bereichen zu unterscheiden. Hier gibt es feste und variable Dimensionen, wobei sie nicht immer voneinander abgrenzbar sind. Dazu zählen auch Alter, Wohnort, sozial-ökonomische Bedingungen und vieles mehr. Divers als Modewort? Die Zeit der schnellen Videos und Klick-Überschriften mit KI-Zusammenfassungen lässt meist keinen Platz für lange Ausführungen, seien es geschriebene oder gesprochene. Doch bevor man mit Begriffen um sich wirft, braucht es den Dialog zu Begrifflichkeiten und in weiterer Folge auch zu unseren Werten.

Ein linguistischer Exkurs dazu: „Diverse Personen“ oder „diverse Beispiele“ bedeutet auf Deutsch (und auch Italienisch, aus dem Latein stammend) ursprünglich sowohl „verschiedene“ als auch schlicht „einige“, weshalb man hier auch beim Übersetzen aus dem Englischen auf die richtige Interpretation achten sollte.

Wie aufgeschlossen sind wir wirklich? Und wie aufgeschlossen sollen oder dürfen wir sein? Lassen wir einige „Stereo-Typen“ aus der Fantasie aufeinander treffen: Wird ein Herr der Reinigungsfirma, der kein Englisch spricht, die gut verdienende Expat-CEO, die nur Englisch spricht, heiraten? Schließt die Wandergruppe der sportlichen 30-jährigen auch eine 60-jährige Dame aus der Nachbarschaft mit ein, wenn sie das wünscht? Vielleicht, wenn das Schicksal mitspielt. Die Statistik sagt aber etwas anderes.

Es ist schön, in den Medien viele verschiedene Familienmodelle zu sehen. Aber realistisch sind die Bilder trotzdem noch nicht. Vor allem die Werbung zeigt grinsend eine Welt, in der ältere Frauen weiterhin nur für Blasenentzündungsprodukte oder in Oma-schenkt-dir-Schokolade-Rollen gezeigt werden. Zeige ich Diversität, muss ich außerdem auch Menschen zeigen, die mit Akzent Deutsch sprechen. Sie sind genauso Österreich wie jene Person, die immer noch im Dialekt spricht und die, die im Bus denglischt oder in Gebärdensprache im Kaffeehaus tratscht.

Mein Plädoyer dafür, Aufgeschlossenheit und Vielfalt weniger zu simulieren und mehr zu leben. Und auch darüber nachzudenken, was Diversität für uns und auch für die Arbeitswelt wirklich bedeutet.

6G: Gesagt

Sager habe ich zwei sehr erheiternde dieser Tage hören dürfen:

  1. Fünfjähriges Kind, Wanderweg, Mönichkirchner Schwaig:
    „Ich kann Urlaube machen. Aber ohne Wandern!“ Die Eltern versuchten – ein wenig keuchend aufgrund der Steigung – mit Argumenten wie „Muckis, Kondition“ und „gestern hast auch gemault“, das Kind zu motivieren, was selbstverständlich keinerlei Wirkung zeigte. Ihre leicht verzerrten Gesichtsausdrücke verrieten, dass sie sich eigentlich selbst gerade motivieren mussten. Nach der Steigung wartete aber eine lustige Schaukel mit Kuhglocken (der ich selbst nur schwer widerstehen konnte) auf die Familie – die Rettung, wenn die Vorteile des Zukunfts-Ich, wie Muskeln und eine tolle Kondition, doch noch nicht gesehen werden.

    Etymologisches PS: Warum eigentlich Mönichkirchen und nicht Mönchkirchen? In der Kirche auf dem Hauptplatz liest man, dass der Missionar Minicho vom Erzbischof aus Salzburg geschickt wurde und Namensgeber der „Minicho Kirche“ war, die bereits 860 an diesem Platz stand. Daher stammt die Ortsbezeichnung Mönichkirchen.

  2. . Junge Frau Anfang zwanzig, Straßenbahnstation, zu Mittag am Pride-Wochenende, mit einer Flasche Sekt in der Hand zu ihrer Freundin:
    „Dann ruf‘ ich jetzt meine Grandma an, die wahrscheinlich auch schon tipsy ist. Problematic woman. Haha, na Spaß.“

Na dann, Prost und Cheers!

Ghost(ing) – WhatsApp-Nachricht von Sam

3G: Gedacht

Als Kind der 80er und 90er ist „Ghost – Nachricht von Sam“ für mich der filmische Inbegriff der Romantik. Gemischt mit Komödie, dank Whoopis Charme, und Thriller, dank des Widersachers. Eine etwas wilde Mischung, gestehe ich ein. Trotzdem sehr romantisch. Mit kurzen Haaren und Latzhose in einem Loft herumzutöpfern steht für ein Lebensgefühl der 90er-Jahre.

Oft satirisch aufgearbeitet wurde die berühmte Töpferszene, vergleichbar mit der Szene von Leonardo di Caprio und Clare Danes, nein das waren Romeo und Julia, ich meine Kate Winslet, auf der Titanic. Ich wäre dann doch eher fürs Töpfern, da mir auf Booten, Schiffen und Luftmatratzen sehr übel wird. Alle drei Geschichten haben eins gemeinsam: Er liebt, segnet aber das Zeitliche. Vielleicht ist diese Form der romantischen Liebe und des Begehrens nur in der Abwesenheit und mit Hilfe von Illusion/Projizierung (mit Beamer oder ohne) haltbar, nicht immer aber im „Hast du mein Ladekabel gesehen?“-Alltag.

Doch das Wort, das für ihre Liebe steht, und an dem Sam von ihr erkannt wird, ist uns in Erinnerung: dito. Und wie bei zwei Dingen oder sogar Menschen, die unser Gehirn als eines abspeichert, ist mir erst jetzt die zweifache Ausführung bewusst geworden: das romantische „Dito“ und das Österreichische „Detto“. Detto ist hier eher scherzhaft freitags um 12:56 im Büro zu hören: „Mir reicht’s für heute.“ – „Detto.“

4G: Gemerkt

Das Geistwerden, also Ghosting, ist mittlerweile ein etablierter Anglizismus. Ein Zeit-Phänomen als oft konfliktscheue Reaktion einer Gesellschaft der Über-Kommunikation. Ab wann ghosten wir? Meiner Meinung nach, sobald man eine Person persönlich kennt und in den vergangenen Monaten gesehen hat, (oder mit ihr verheiratet oder eng verwandt ist) ist es Ghosting. Wenn die entfernt bekannte ehemalige Nachhilfeschülerin nach über zwei Jahren der Stille irgendetwas von einem braucht und man antwortet nicht oder nicht umgehend, war man schon Geist, bevor man einer wurde. Auch erlebt, wenn jahrelang verschollene Facebook-Freunde plötzlich sehr dringend Sizilientipps benötigen, eingeleitet von „Was tut sich so?“. Was tut sich so seit 2018? Gute Frage.

Nicht immer sind wir verpflichtet, zu antworten, zu liefern. Genauso kehren, viel unromantischer als in unserem Liebesfilm, gerne auch jene Geister der Vergangenheit zurück, die damals selbst geghostet haben. Sie wollen von uns ent-ghostet werden. Besser nicht. Denkt an Odysseus. Es kann und wird nicht gut gehen.

Um uns etwas zu merken, müssen wir es vorher bemerken. Bemerkbar ist, dass sich vieles in der Kommunikation verändert hat und weiter verändert. Oft erscheinen schon gewisse eigene Freunde vor dem inneren Auge als Geister, weil man sie seit Jahren nur mehr online hört oder liest und nicht mehr persönlich trifft. WhatsApp statt Whoopi als Medium. Dabei brauchen wir es nicht, können beieinander sitzen und sagen: „Schön, mit dir zu sprechen.“ „Dito.“

6G – Sprachliche und interkulturelle Eindrücke, die mir ins Wörternetz gegangen sind

6G – Sprachliche und interkulturelle Eindrücke, die mir ins Wörternetz gegangen sind

Heute, am 11. Mai, Sonntag und Muttertag, beginnt eine neue Blogreihe – einen lieben Glückwunsch an dieser Stelle. Das G steht für jeweils ein schönes Partizip der Vergangenheit. In jedem Beitrag geht es um zwei G.

Gelesen – Gehört – Gedacht – Gemerkt – Gefühlt – Gesagt

1G: Gelesen

Als ich in den Osterferien abends in einem Bistro in der Hauptstadt Ibizas saß, legte ich nach dem Essen das Handy weg und nahm mir eine lokale Zeitung zur Hand. Es war zwar ein bisschen dunkel, aber das Lesen ging gerade noch. Da ich alleine unterwegs war, hatte ich diesmal einen Platz an der Bar bekommen. Die Zeitung lag griffbereit vor mir. Ich blätterte darin und las, dass die Clubs der Insel ganze 30 Prozent des Umsatzes im Tourismus ausmachen. Eine beachtliche und einzigartige Leistung.

Es war mein dritter Besuch auf dieser Insel der Balearen, ganz genau im Jahr 2025 – nach 2005 (Flug aus Lissabon) und 2015 (Flug aus Palermo). Ein eigenartiges Muster, das mir erst jetzt während des Schreibens bewusstwurde. Jeder der Urlaube war anders als der vorherige, vor allem aufgrund meines Alters und der Lebenssituation, aber auch dem entsprechend, wie sich die wunderschöne Insel mit der heute nur leisen, aber noch fühlbaren Hippie-Schwingung verändert hat.

Mein Lieblings-Bistro in der Nähe des Hafens in Eivissa

In der Zeitung las ich kurze Zeit später etwas über furgonetas, also Lieferwägen.

Ich wollte das Wort mit Kastenwagen übersetzen, aber meine Kollegin meinte, als ich die Geschichte erzählte, sie glaube, das sei nicht richtig. Ich gebe zu, mir fiel das Wort auf Deutsch nicht ein – auch ihr nicht, die mir das italienische Pendant furgone lieferte. Apropos: Aus diesem wird Eis verkauft, ragazzi! Ich musste für das deutsche Wort im Wörterbuch nachsehen. Die Übersetzung von Einzelbegriffen zu zusammengesetzten Wörtern und umgekehrt führt im Gehirn manches Mal zu einem Wortstau.

Wenn „übernachten“ immer skurriler wird

Lieferwägen also, die prinzipiell fast immer weiß sind, werden auf Ibiza einfach irgendwo vor Stränden und Klippen abgestellt, man lege eine Matratze hinein und romantisiere das auf den großen Plattformen als „alternativen Urlaub, weg von den Massen“. Zum Glück wurden sehr viele dieser „Vermieter“ in einer großen Aktion aufgespürt und angezeigt. Es wird berichtet, dass diese Art der (selbstverständlich illegalen) Vermietung immer absurdere Ausmaße annimmt.

Dann bis 2035, Ibiza! Ich nehme gerne wieder ein schönes Hotel in der Hauptstadt und den öffentlichen Bus, um die wundervollen Strände zu besuchen.

2G: Gehört

Im Deutschunterricht hört man so einiges. Neben der Lehre an den Universitäten arbeite ich dieses Semester auch mit Jugendlichen, die vor ein paar Jahren alleine nach Österreich gekommen sind. Sie unterstützten unbewusst meine Gs mit lustigen Wortkreationen wie: „Ich habe ge-iftar-t“, auf meine Deutsch-Konversations-Frage, was der junge Mann aus Somalia gestern Abend gemacht habe. Iftar bedeutet, was ich wiederum erst dieses Jahr gelernt habe, Fastenbrechen.

Sie hat mich gekorbt

Bei unserem Ausflug nach Nußdorf wenige Wochen danach erzählte uns ein Teilnehmer aus der anderen Gruppe: „Sie hat mich gekorbt.“ „Ge-was?“ fragten meine Kollegin und ich nach. Er wiederholte es zwei Mal. Wir wollten wissen: „Was bedeutet das?“ „Sie hat Nein zu mir gesagt, sie will mich nicht“, erklärte der junge Mann. Unsere Anglizismen auspackend rieten wir: „Ah ge-crop-t? Jugendwort. So wie schneiden, weggeschnitten, abgeschnitten?“

Erst nach einer ganzen Weile dämmerte es uns: Korb! Sie hat mir einen Korb gegeben – sie hat mich gekorbt.

Bis nächste Woche und ich hoffe, ihr werdet nicht gekorbt.

BD

Sprachliche Kreativität nicht nur beim Friseur – Sprachspielerei zwischen Witz und Wahnsinn

Denglisch, Apostrophe & Werbeslogans: Sprachspaß oder Sprachsünde?

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Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Sätze wie „Früher ist alles besser“, als Aufforderung, früh zu buchen, lesen? Oder „Gutes Morgen“ – unser Supermarkt ist gut für das Morgen. Dann gibt es noch dialektal angespielt „Des hot was!“, vom gleichen Anbieter, nur mit Telefonie. Etwas in mir sträubt sich, schön ist anders. Bedeutung hat in der Werbung das Einprägsame. Das erinnert an Friseursalons namens Ali Barber und Fortschnitt.

Bei Geschäftsnamen mit dem eigenen Namen, wie Birgit’s Haarstudio, ist – zum Unmut einiger – der Apostroph nun erlaubt. Der deutsche Rechtschreibrat, der übrigens ein sehr praktisches Online-Regelwerk mit allen Neuerungen, wie derzeit speziell der Zeichensetzung, bietet, hat sich ergeben. Die roten Kugelschreiber sind ihm ausgegangen. Die bis vor wenigen Monaten noch als falsch geltende Schreibweise ist allerdings keine neue „Rechtschreibsünde“. Wenn man aufmerksam durch die Straßen Österreichs spaziert, findet man Schilder bereits aus anno dazumal mit Namen und Apostroph.

Manche Produktnamen und Werbeslogans gehören bereits zu unserem festen Wortschatz, im Idealfall sogar mit dem Liedchen oder der richtigen Betonung im Singsang. Je nach Generation bleiben Werbesprüche und die dazugehörigen Bilder hängen, bei mir besonders jener „Die Frisur hält – bei jedem Wetter“, für einen Haarspray und „Ist das neu?“, für das Retro-Wollwaschmittel. Dieser Sprüche kann man sich mit Menschen ungefähr gleichen Alters als Insider-Witz bedienen. Liegen viele Jahre dazwischen, funktioniert manches in der Kommunikation nicht mehr so gut.

Kürzlich meinte ein junger Anrufer bei den Sternstunden von Frau Rogers, es gebe ein „Widder-Bashing“. Ich bin mir nicht sicher, ob Bashing bereits zum Wortschatz von Frau Rogers gehört, gleichzeitig sind aber auch manche ihrer Ausdrücke wie Liaison vielleicht nicht mehr allen bekannt. Bashing ist ein Modewort und bedeutet, vor allem in Zeitungen, sehr scharfe Kritik an einer Person oder Gruppe zu üben. Das Wort kann aber im Englischen auch für einen körperlichen Angriff stehen und seine Bedeutung ist sehr stark, „jemanden nicht nur schlechtreden, sondern so richtig fertigmachen“, berichtet man mir aus LA. Meist schaffen es nur eingeschränkte Bedeutungen eines Wortes in andere Sprachen, wie auch bei Pasta asciutta, wie sie meine Großmutter nannte, oder Bolognese. Wie wir wissen, bekommen Wörter manchmal sogar eine andere Bedeutung, wie bei Public Viewing und dem Beamer, der im britischen Englisch irgendetwas mit Cricket zu tun hat, aber weder Filme noch die interaktiven Lernspiele von Kahoot projiziert. Durch die Vernetztheit und die Medien finden auch bestimmte neue Begriffe des Englischen international als Anglizismus schnell Einzug in andere Sprachen, wie brain fog, wenn man sich gerade nicht konzentrieren kann.

Doch zurück zu den verschiedenen Altersgruppen. Es geht immer noch jünger – die Kinder im Kindergarten heißen hierzulande bekannterweise Kindergartenkinder. Ein lustiges Wort. Im amerikanischen Englisch hörte ich zur Einordnung des Alters: „These kids are kindergartners.“ Diese Kinder sind Kindergartenkinder. Sehr ähnlich also, die Wortbildung, nur dass bei uns die Kindergärtner nicht die Kinder, sondern die Erwachsenen sind. Zum Glück, möchte man meinen. Sieht man sich noch ein bisschen weiter im Oxford Dictionary um, findet man erheiternde weitere Wortbildungen mit diesem Germanismus, wie z. B. kindergartenize, bereits seit 1890 in Verwendung: etwas einem Kindergarten oder seinen Methoden ähneln zu lassen. Beispiele fielen uns hierfür leider viele ein.

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Ist korrekte Sprache nur mehr mit englischen Begriffen möglich?

Neben diesen spannenden Mechanismen der Wortbildung wird vor allem mündlich und online, sprich dort, wo Mündliches verschriftlicht wird, weiterhin sehr viel gemischt. Ein „viel-gelikter“ Beitrag auf LinkedIn lautet: „Weil ich es satt habe, dass Frauen immer geshamed werden.“ Was versteht man darunter, geshamed zu werden? Gibt es das Konzept nur so? Be-shamed, also beschämt, würde mir besser gefallen, so rein grammatikalisch und ganz undenglisch. Ihre Aussage supporten wir zwar inhaltlich, sprachlich nimmt der Mischmasch aber weiterhin ein wenig überhand. Es ist schwierig, wenn faire oder korrekte Sprache nur mehr mit Begriffen aus dem Englischen glücken kann. Das schließt teilweise bei allem Anspruch der Inklusion schlussendlich Menschen aus.

Viele Unternehmen posten vermehrt täglich lange, nichtssagende Texte, die wahrscheinlich, so wie das dazugehörige Bild, von der Kathrin Irmgard, alias KI, hergestellt wurden. Rudi Rudolf applaudiert. Steffi Huber findet das wunderbar. Nicht alles muss aufgeschrieben und abgebildet werden. Aber es gibt auch erfreuliche Wortspiele: Die Wiener Linien blenden in den letzten Jahren zu verschiedenen Anlässen Anzeigen mit Wortspielen ein. Diese sind, wie viele humorvolle Durchsagen der Zugführerinnen und Zugführer der ÖBB, meiner Meinung nach meistens gut gelungen und sorgen bei vielen Menschen im stressigen Alltag für ein Lächeln.

Vieles aus dem Englischen wird mittlerweile sogar von deutschen Muttersprachlern ins Deutsche falsch rückübersetzt – eine schräge Entwicklung. Auch Christina Stürmer singt in ihrem sonst nett anzuhörenden Lied die Zeile „ein Tag im November in 2002.“ November klingt nach Nebel und ich bin froh, schon März zu haben und an den meisten Tagen, genau wie sie, nicht mehr 19 zu sein, doch zumindest sagte man 2002 noch nicht „in 2002.“

Ich wünsche einen schönen Frühlingsbeginn. Und: Welche Wortspiele finden Sie besonders nervig?

Grußformeln und Sprachnuancen in Österreich, Deutschland und Italien

Von der Marille zur Aprikose – Sprachliche Vorurteile und Gemeinsamkeiten bei meinem Besuch in „Hochdeutsch-Land“

„Servus“ begrüßt man mich vielerorts in München. Servus! Das klingt für mich vertraut und nach zu Hause, aber ich muss auch schmunzeln. Ich würde es normalerweise nur zu Leuten sagen, mit denen ich per du  bin. Für meinen Freundeskreis ist schließlich informell „Hallo“ die üblichere Begrüßung. Aus frühen Kindheitstagen erinnere ich mich an die Mutter meiner Freundin, die wütend rief: „Zum Opa sagt man nicht Hallo!“ Mein wienerisches Baba hören dafür zum Abschied nur Personen, die mir nahestehen.

Servus und Grüß Gott sowie salve in Italien sind althergebrachte Grußformeln. Anders als ciao, das seinen Einzug in viele Sprachen gefunden hat, ist salve in Italien geblieben. Die alten Römer – und Römerinnen – wünschten es einander im Sinne von Gesundheit und Wohlbefinden. Heutzutage wird es zur Begrüßung, es ist weniger kollegial als ciao, als Mittelweg zwischen formell und informell gewählt. Die jüngeren Italienerinnen und Italiener sagen „Salve prof“ zur Lehrkraft und „Salve coach/Mister“ zum Trainer im sportlichen Umfeld. Zur Verabschiedung hört man salve im Rom der heutigen Zeit eher nicht mehr.

Als ich im Süden Münchens in einem kleinen italienischen Restaurant saß und ein spätes Mittagessen zu mir nahm, lachte ein Gast über jemanden, der „Buona sera“ sagte. Woraufhin der Kellner aus Süditalien prompt richtigstellte: „Sobald Mittag vorbei ist, kann man es sagen.“ Allerdings eher im Süden Italiens, wobei es im Norden wie bei uns sprachlich an den Abend gebunden ist. Um diesen Unannehmlichkeiten und Verwirrungen der Grüße zu entgehen, gibt es in vielen Unternehmen in Österreich einfach das klassische „Mahlzeit“ den gesamten Tag über, auch dann, wenn niemand isst und es eigentlich völlig unpassend ist. Wir machen es wie die jungen Italienischsprachigen, die sich nicht zwischen formell und informell und der passenden Tageszeit entscheiden möchten.

Es war nicht immer voll nice

Wie nice etwas sei, hört man leider sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Um die Erlebnisse mit der Deutschen Bahn während meines fast sechswöchigen Aufenthalts bei unserem Nachbarn festzuhalten, könnte man ein eigenes Buch herausbringen. Ich möchte die Worte einer Schaffnerin wiedergeben: „Entschuldigen Sie das Durcheinander. Bahnfahren ist immer spannend und für Überraschungen wird gesorgt.“

Was mich hingegen weniger erheiterte, war der Plural „Nächste Halte“. Um mich zu beruhigen, sage ich mir, dass das Wort Haltestellen einfach vom zu kurzen Display abgeschnitten wurde. Innere Schreikrämpfe lösen die von mir sonst gelobten Wiener Linien mit der Durchsage: „Nach einer Fahrtbehinderung kommt es bei der Linie XY zu unregelmäßigen Intervalle!“, aus. Intervallen. Wo ist das N? Hört das keiner der Verantwortlichen? Die Künstliche Intelligenz ist praktisch im Einsatz von Ansagen und es rauscht deutlich weniger als früher, es wird weniger genuschelt und ich verstehe, dass man nicht alles x-mal vorlesen möchte. Aber der Dativ wäre schon angebracht. Ich melde mich freiwillig, das Wort „Intervallen“ einmal hinaufzusprechen. So weit müsste sogar die KI sein, um hier eine Unterscheidung zu treffen. Mein Sprachwissenschaftsprofessor meinte dazu trocken, als ein Student mit einer Kaszettel-Bescheinigung keuchend zu spät in den Unterricht kam, die Intervalle selbst seien nicht unregelmäßig.

Deutsch und „Österreichisch“?

Mein Umfeld fragte mich neugierig nach ein paar Wochen in Deutschland, in dem ich Deutsch unterrichtete – nicht die Deutschen allerdings – wie denn die Leute in München so seien. Eine gute Frage. Als Fremde neigen wir dazu, Länder kulturell als eine Einheit sehen zu wollen, um sie zu verstehen. Wenn man allerdings Nord- und Süditaliener, aber auch Münchner, Düsseldorfer und Berliner in einen Topf wirft, verkennt man die vielen Unterschiede. Und auch innerstädtisch oder in einer gemeinsamen ländlichen Region sind wir vielfältig. Aufgrund der gemeinsamen Sprache und der deutschen Medien, die ich von klein auf konsumiere, ist es für mich schwer, konkrete Unterschiede zu „meiner Kultur“ zu benennen. Und damit wahrscheinlich auch, mich passend zu verhalten. In Portugal oder Italien betrachtete ich die dortige Welt staunend und versuchte, Teil davon zu werden. In Deutschland – und ich kann mir vorstellen, Menschen aus Deutschland in Österreich geht es ähnlich – neigt man dazu, die subtilen Unterschiede nicht so stark zu bemerken. Denn man wird (was die Wörter und Sätze betrifft) verstanden. Das Gefühl ist ein anderes, aber durch die sprachliche Nähe ist die Kultur für mich weniger greifbar, schwerer zu beschreiben. Es gibt zum Teil andere Regeln der Kommunikation, die – spricht man dieselbe oder eine sehr ähnliche Sprache – oft nicht erkannt werden, was zu Missverständnissen führen kann.

Aufgrund der Mobilität im eigenen Land ist es auch nicht mehr so, dass nur ein bestimmter Dialekt in einer Stadt gesprochen wird. Nach der Schrift, in der Standardsprache, spricht jedenfalls von Hamburg bis Wien, Ödenburg und Bozen niemand. Bis auf Deutsch-als-Fremdsprache-Lernende vielleicht. Es gibt also doch kein Hochdeutsch-Land. Die Schrift kam auch nach dem Wort, was bei diskreditierenden Aussagen über österreichische Dialekte bedacht werden sollte – diese kommen meist von Deutschlernenden, die denken, sie würden in Österreich oder in der Schweiz nicht das „ordentliche“ oder „richtige“ Deutsch lernen. „Da können wir nichts für“, meine ich dazu nur. Ärgerlich sind Artikel oder Webseiten mit Titeln wie „Übersetzung Deutsch-Österreichisch“ oder „Österreichische Wörter auf Deutsch“. Hier muss zwischen Standardsprache Deutsch Varietät Österreich, Schweiz, Deutschland und (nationale Grenzen nicht respektierenden) Dialekten unterschieden werden. Mit dem süddeutschen Raum verbindet uns jedenfalls sprachlich sehr viel.

Aprikosenkuchen oder Marillen-Datschi?

Bairisch oder bayrisch?

Schreibt jemand bairisch mit i statt y, ist nicht davon auszugehen, dass die Rechtschreibkenntnisse versagen. Sondern, dass bairisch als Dialektgruppe gemeint ist. Eine Dialektgruppe der Hochdeutschen Dialekte. Bairisch umfasst Ober- und Niederbayern, Oberpfalz, Österreich bis auf das alemannische Vorarlberg, Südtirol und einige weitere Regionen. Deshalb auch die sprachliche Nähe zu Bayern. Sehen Sie dieser Tage auch die Olympischen Spiele? Hoffentlich live und nicht entsprechend dem neuesten Marketing-Gag im „Re-Live“. Entweder etwas ist live oder nicht. Doch zurück zu den Spielen. Vor fast genau 200 Jahren setzte König Ludwig I., der ein großer Verehrer Griechenlands war, per Anordnung die Schreibweise Bayern mit dem griechischen y durch – davor hatte es mehrere Schreibweisen parallel gegeben.

Wie in diesem Standard-Artikel erklärt, in dem sich eine Studie mit den Strukturen im Englischen beschäftigt, kooperieren wir also lieber mit Menschen, die ähnliche Satzstrukturen verwenden. Das ist ein interessanter und eher unbewusster Aspekt, der über die Verwendung bestimmter Wörter hinausgeht. Die Beobachtung zeigt, dass bei Kindern und Jugendlichen Merkmale der hiesigen Aussprache und Wörter mit jenen Deutschlands bereits stark gemischt werden. Ganz einfach „Das ist Deutschland-Deutsch“ zu sagen, ist nicht immer korrekt. So wird „laufen“ für „gehen“ auch in Deutschland nicht überall synonym verwendet und die Dame in der Konditorei am Schliersee bot mir ein „Marillen-Datschi“ an, während der Supermarkt 1 km weiter Aprikosen verkaufte. Dazu kommt, dass sprachliche Einflussnahme nicht nur einseitig ist und auch in Deutschland der „Schanigarten“ konzeptuell und sprachlich immer beliebter wird.

Kürzlich las ich in der Übersetzung eines Buches „Er war etwas besserer Dinge“ – ich bezweifle, dass man guter Dinge als Redewendung steigen darf – sowie „bereiter als je zuvor.“ Ich bin jedenfalls besonders guter Dinge und bereiter als je zuvor, mich noch oft in diesem Jahr in einen Schanigarten zu setzen und ich hoffe, Ihnen geht es genauso.

Warum es sich mit den Vorsilben ausgekocht hat

Warum es sich mit den Vorsilben ausgekocht hat

Und: Wo es in Zentralamerika „Kinder“ gibt, das Wort aber etwas anderes bedeutet

Man merkt, dass man nicht mehr zu den ganz Jungen gehört, wenn nach Mitternacht nur mehr ein Möbelhaus zum Geburtstag gratuliert, welches zwei Gewürze verschenken will. Zum Geburtstag untertags wurde dann doch gratuliert. In Kurznachrichtenform vor allem. Die Besonderheit des Chats, und somit unseres derzeit meist gewählten Kommunikationsmittels, ist die Verschriftlichung des Mündlichen. Bei der verschriftlichten Mündlichkeit gelten eigene und wenige Regeln. Nicht immer zur Freude aller Beteiligten werden jetzt immer mehr Handy-Nachrichtendienste für Berufliches verwendet. Deshalb ist die legere Schreibweise mit vielen Abkürzungen, à la gg, :-), hdl, und Kleinschrift wieder zurückgegangen und hat ganzen Sätzen, Großschreibung und sogar Interpunktion Platz gemacht. Nach dem Motto: Man schreibt ja sonst nicht. Einige wenige sind an Emoji-Reihen und unmotivierten GIFs hängengeblieben. Sie haben den Absprung leider nicht geschafft.

In Frankreich wurde diese Art, verkürzt und verdreht per SMS und online zu schreiben so stark gelebt, dass Chatnachrichten einiger junger Französinnen und Franzosen aus Paris beinahe zu einer Geheimsprache und damit Thema diverser Studien wurden. Jugendsprache soll abgrenzen und Identität stiften. Sie ist jedoch blitzschnell und bis linguistische Abhandlungen geschrieben werden oder einzelne Wörter im Kabarett aufgegriffen werden, hat sie sich schon wieder verändert. „Lehrpersonen“ (statt Lehrroboter? Ich finde diese Bezeichnung unschön.) können ein Lied davon singen. Dazu kommt das Beobachter-Paradoxon in der Sprachwissenschaft. Sprich in etwa die Lehrerin (ich), die wie ein Huhn über die Schulter schaut, um den Text Zeyneps zu    kontrollieren, die sich dann doch nicht, wie sonst, mit demselben Repertoire an Wörtern mit Mathilde zu tratschen traut.

Jugendsprache ist blitzschnell

Schnell ist Sprache auch deshalb, weil unsere sich ständig verändernde Außenwelt mit ihrer Hilfe beschrieben wird. Das wurde während der Pandemie sehr deutlich. Kürzlich machte ein Kabarettist den Scherz „NMS statt MNS“ – das Publikum hatte aber bereits wieder die Abkürzung für Mund-Nasen-Schutz vergessen. Wörter und Abkürzungen nehmen sich sozusagen selbst auch wieder zurück, wenn sie nicht mehr gebraucht werden. Es war viele Jahre lang sinnvoll, Smartphone statt Handy zu sagen, um zwischen zwei verschiedenen Produkten zu unterscheiden. Sobald es fast keine un-smarten (also depperten?) Telefone mehr gibt, sagen wir wieder Handy zu allen Mobiltelefonen oder ergänzen „ein altes/altmodisches Handy“ zur Unterscheidung. Sprache wählt tendenziell den pragmatischen Weg der Einfachheit.

Witzig klingt in diesem Zusammenhang auch die etablierte Kurzversion (el) kinder, Mehrzahl kinders,für Kindergarten im Spanischen in Costa Rica. Der ursprünglich im Deutschen wichtigere zweite Teil des Wortes, Garten, ging verloren. Wie auch in Panama, wo ein Lebensmittelgeschäft nach dem anderen Mini Super heißt und das Wort Markt nicht mehr vorkommt. Mini Super ist auch eine nette Größenbezeichnung.

Leider kein Teil der modernen Jugendsprache ist das „Auskochen“. Erinnert uns ein wenig an „ausrauchen“ – „Ich rauch noch schnell aus!“ Die Zigarette fertig, ist gemeint. Doch die deutschen Vorsilben, unsere Spezialität des (Sprach-)Hauses, sind äußerst vielseitig, für Lernende verwirrend und produktiv. So bedeutete „Auskochen“ umgangssprachlich das, was wir heute als „Take-away“ bezeichnen. Gasthäuser kochten „aus“, man erhielt etwas Frischgekochtes zum Mitnehmen. „Ausschenken“ ist noch geläufig. Bei „Auskochen“ wird heutzutage an „Babyflasche auskochen“, also von Keimen befreien, oder „Gemüse auskochen“, etwa zur Suppengewinnung, gedacht. Dann gibt es noch das „ausgekochte Schlitzohr“. Denkbar, wenn auch ungewöhnlich, wäre auch „Ich will nur noch kurz auskochen“, im Sinne von „fertigkochen“. Ähnlich verwenden wir „aufessen“ – „Isst du das noch auf?“ Das wird meistens gefragt, wenn sich der Fragende die Knödel oder Gyoza einverleiben möchte. Dialektal wird es zu „zsammessen“. „Iss zsamm!“ fühlt sich bereits anders an. Im Augarten und Prater hörten Kinder auf dem Spielplatz auch immer wieder die Drohung „Ich hau‘ dich zsamm!“. Die lieben Kleinen heutzutage sagen das wahrscheinlich noch genauso oft und filmen es noch dazu – aber auf Hochdeutsch. So erzählte im Fernsehinterview auch der junge Schauspieler des Films Rickerl, nicht alles zu verstehen, was Voodoo Jürgens in seiner Rolle im Dialekt zu ihm sagte. Der allergrößte Teil der Eltern aus Wien und Umgebung sprechen seit den 80er Jahren mit den Kindern nicht mehr im Dialekt.

Apropos Vorsilben: Die Trainerin hieß früher noch Vorturnerin. Man denke an die Videokassetten und Fernsehprogramme, bei denen vorgeturnt wird und die Zuseher dann das Ganze bestmöglich nachturnen. Bis es sich schließlich ausgeturnt hat.

Wie im Sportunterricht der 80er-Jahre, bei dem nicht alle mitturnen wollten, könnte man für bestimmte Vergehen zur Strafe „Liegestütze – bis du weinst“ einführen. Ich plädiere dafür bei jedem Mal „tatsächlich“, gesagt oder geschrieben. In fact mag ja praktisch sein, um im Englischen einen Satz einzuleiten. Doch nicht einmal im 17. Jahrhundert wurde wortwörtlich übersetzt. „Tatsächlich“ nimmt überhand und wird den Möglichkeiten des Deutschen bei Weitem nicht gerecht. Auf etwas zuvor Geschriebenes verweisen wir in diesem Fall anders, und zwar auf so viele interessante und unterschiedliche Arten, wie „wirklich“, „und zwar“, „sage und schreibe“, „genau genommen“, „in Wahrheit“, „in Wirklichkeit“, „eigentlich“, „viel mehr“, „ehrlich gesagt“ usw., je nach sprachlichem Kontext und Inhalt.  Mein betreuender Professor strich mir übrigens auch „Fakt ist“ bei meiner Abschlussarbeit an. Er hatte recht – was ist schon Fakt? Infatti, könnte man mir jetzt in Italien beipflichten.

Uroma oder die ur Oma?

Kein solches Präfix ist das Wörtchen „ur“, oft gehört in Ostösterreich. Eine große Zeitung schrieb vor einigen Wochen online: „Ur-Oma lernt mit 97 Lesen und Schreiben.“ Ist das ein Sprachwitz? „Die ur Oma!“ Oder unbeabsichtigt falsch mit Bindestrich geschrieben? Man kann ja nie wissen.

Von dem vielen Gerede über Sport habe ich Hunger bekommen und frage nun beim nächsten Restaurant nach, ob sie auskochen. Ich wünsche einen schönen Tag. Und: Lesen wir unsere Bücher aus.

Gute Vorsätze

Gute Vorsätze

Wie auf Portugiesisch eine Kleinigkeit bestellt wird – oder auf Denglisch geteilt wird

Die Weihnachtszeit ist wieder vorbei. Wie haben Sie auf Geschenke reagiert? Haben Sie das Kochbuch (nach dem Motto „Du kannst das besser“) oder das bereits verpackte Drogerie-Geschenkset mit 384 Duftstoffen, auf die Sie fast alle allergisch reagieren, schon erwartet? Hier ein Tipp: Wenn Sie die Enttäuschung überspielen wollen, rufen Sie ganz einfach „Das hätte ich jetzt nicht expected (erwartet)!“ – kürzlich von einer Anfang-20-Jährigen in der Straßenbahn vernommen. Es passt perfekt zu „Da muass i imma no resist’n“ (widerstehen). Im Dialekt wird die Sache leider auch nicht besser, es geht uns aber bei den Keksen fast allen so.

Weitere sehr beliebte Anglizismen, die ­­– schreiend – ohne Vorwarnung in deutsche Sätze geworfen werden, sind momentan struggles und daraus gebildet struggeln/strugglen (etwa im Sinne von kämpfen) sowie „Was war dein Learning dieses Jahr?“ Nichts gegen Anglizismen, aber es gibt schönere und unschönere Einsatzmöglichkeiten.

An der Verwendung gewisser Wörter und Redewendungen kann oft das Alter der Person abgelesen werden. Dazu gibt es auch eine englischsprachige Seite online, bei der Sie Ihr Geburtsjahr eingeben und erfahren können, welches Wort in diesem Jahr ins Wörterbuch neu aufgenommen wurde. Bei mir war es die Luftgitarre – bitte keine Witze!

Erwachsene, die im beruflichen Umfeld, vor allem in der Politik, „OMG“ oder „O mein Gott“ rufen ­­– „oh“ und „mein“ dürften leider gekommen sein, um zu bleiben ­­– wirken auch etwas deplatziert. Angebracht wäre ein solcher Kommentar bei einem sehr jungen Menschen über einen Flirtversuch des Schwarms bzw. der Flamme. Apropos Flamme, wir sehen: auch altmodische Begriffe sind oft genderneutral. So auch das dialektale „Enkerl“, kürzlich gehört im motivierenden Satz „Alle anderen in meiner Damenrunde haben schon Enkerl“.

Jene, die gerade Deutsch lernen und mit den vielen unvorhersehbaren Artikeln kämpfen, äh struggeln, könnten vielleicht mehr -erl, -lein oder -chen, je nach Region, als Verkleinerungsform verwenden. Aktuell wären „das Katzerl“ und „nur noch ein Kekserl“ und das darauffolgende „Nickerchen“ passend.

Im Portugiesischen, Italienischen und Spanischen wird bei der Verkleinerung eine Nachsilbe hinzugefügt. Diese Form ist in der Alltagssprache häufiger als bei uns zu finden, z. B. „Hübscher“, (Wienerisch „Fescher“): guapo, der zu guapito wird (Spanisch) oder die Suppe sopa wird zu sopinha, der Fisch peixe zu peixinho (Portugiesisch) und der Junge ragazzo zu ragazzino (Italienisch). Diese Sprachen erlauben generell auch die Vergrößerungsform mithilfe von Nachsilben. Im Deutschen verwenden wir dafür entweder ein Adjektiv davor, z. B. „ein riesiger Aufwand“, oder aber ein zusammengesetztes Substantiv, wie bei „Riesenaufwand“ und „Mega-Projekt“ und folglich „Mega-Pleite“.

Wenn Sie also Ihre guten Vorsätze bis zum nächsten Urlaub durchhalten, können Sie nun dank Verkleinerungsform eine kleine Portion des jeweiligen Gerichts bestellen – bei den vielen Gängen in Italien und den iberischen Nachspeisen könnte man jedoch die Vorsätze sowieso zu Hause lassen.

Zusätzlich zu einzelnen Wörtern hält in vielen Sprachen, und so auch bei uns, auch immer mehr die englische Grammatik Einzug. Kürzlich fuhr eine Fahrschule der Straßenbahn an mir vorbei ­­– mit dem Tourismus-Werbetext „Machen Sie außergewöhnliche Erlebnisse in … (unserem Nachbarland)“. Das hätten Sie jetzt nicht expected! Wie werden sie gemacht, die Erlebnisse? Und wer bekommt diese dann? Da gäbe es korrektere Alternativen. Bei der Übersetzung zu sparen ist nicht immer die beste Entscheidung.

Eine weitere salomonische Ausdrucksweise, auf die ich mittlerweile schon mehrmals in Online-Zeitungen oder Zeitschriften gestoßen bin, ist aus Englisch share, welches ein viel weiteres Bedeutungsspektrum hat als teilen, zum Thema Scheidung: „Es gab wenig Kommunikation zwischen ihm und Amira, mit der er zwei Söhne teilt.“ Teilt? Warum nicht hat? Dann können sie im Ganzen bleiben. Oder sie teilen sich das Sorgerecht, das hält es aus. Geteilt wird heutzutage sprachlich fast alles: Kontaktdaten, Gefühle, Bilder. Wenn ich meine Handy-Kontakte teile, habe ich danach im eigentlichen Sinn mehrere Gruppen, also mehrere Teile, so wie bei der Paella, die ich teile. Durch den Einfluss des Englischen und der Online-Welt, in der Dinge ganz bleiben, obwohl man sie teilt, versteht man derzeit darunter, dass ich sie an jemanden weitergebe (sie selbst aber trotzdem behalte). Wir haben sie, die Vorsilben, eine Besonderheit des Deutschen, durch die etwas ganz präzise ausgedrückt werden kann, mit-, ver-, auf-, ein-, also mitteilen, verteilen, aufteilen, einteilen uvm. Doch sie werden insgesamt, so scheint mir, seltener verwendet.

Schließen möchte ich heute mit der Aussage einer Passantin am Telefon, die zwar ernstgemeint war, mich aber zum Schmunzeln brachte: „Es ist emotionell derzeit so wie’s ist.“

Ich wünsche einen guten Start ins neue Jahr!